Noel Cousley-Lemke über Stärke und Lebensmut

von Redaktion

Mit neun Monaten verlor Noel Cousley-Lemke aufgrund einer schweren Blutvergiftung Arme und Beine. Trotz zahlreicher Herausforderungen lässt er sich von nichts aufhalten. Der junge Kolbermoorer hat nun dem OVB seine Lebensgeschichte erzählt.

Kolbermoor – Im Spinnereipark Kolbermoor ist es ruhig. Ein paar Enten watscheln durch das nasse Gras. Der Regen tropft von den Bäumen. Kein Mensch ist bei den kühlen Temperaturen in der Grünanlage unterwegs. Mit einer Ausnahme: Noel Cousley-Lemke aus Kolbermoor. In seinem Rollstuhl fährt er am Wasser entlang und erzählt seine Lebensgeschichte. Denn beim 31-Jährigen wurde im Alter von neun Monaten eine akute Blutvergiftung diagnostiziert. Die Folge: Cousley-Lemke mussten die Unterarme und Unterschenkel amputiert werden.

„Ich kann mich natürlich kaum noch an diese Zeit erinnern“, sagt Cousley-Lemke. Nur so viel weiß er noch – teilweise auch nur durch Erzählungen. Der heute 31-jährige Deutsch-Jamaikaner wurde am Bodensee geboren. Mit neun Monaten habe man bei ihm dunkle Flecken auf der Haut entdeckt. Die Ärzte fanden heraus, dass Cousley-Lemke eine Meningokokkensepsis hatte.

„Die Ärzte wollten sicher- gehen und haben dann noch einige Tests gemacht“, sagt der junge Mann. Irgendwann mussten die Ärzte dann seine Gliedmaßen amputieren. Wohl auch um zu verhindern, dass sich die Blutvergiftung nicht auf die Organe ausweitet. „Ich habe absolut keine Ahnung, wie es dazu kam. Ob ich eine offene Wunde hatte und die Bakterien so in mein Blut kamen oder ob es etwas anderes war. Dazu habe ich nichts in meinen ärztlichen Unterlagen gefunden“, sagt Cousley-Lemke.

„Versuche, mein Leben weiterzuleben“

Und schon kurz nach der Operation wollte er sich von nichts aufhalten lassen. „Seit dieser Zeit versuche ich, mein Leben trotz des Handicaps einfach weiterzuleben, auch wenn ich mir nicht den Finger in die Nase stecken kann“, sagt er und lacht. Nachdem Cousley-Lemke entlassen wurde, kam er kurze Zeit später in ein Kinderheim im Hegau, da sich seine leiblichen Eltern nicht angemessen um ihn kümmern konnten. Mit neun Jahren zog er zu einer Pflegefamilie nach Bayern. „Dort hatte ich es wirklich sehr gut“, sagt er. Mit 17 Jahren zog Cousley-Lemke dann aus. Es ging für ihn nach Rosenheim, wo er eine Wohnung von der Diakonie zur Verfügung gestellt bekam. „Irgendwann bekam ich dann den Tipp, dass in Kolbermoor eine behindertengerechte Wohnung frei wird“, sagt er. Doch erst nach zwei Jahren auf der Warteliste konnte der 31-Jährige dort einziehen. Seit gut sieben Jahren lebt er nun schon in Kolbermoor. „Es ist schön hier. Sehr idyllisch und ruhig“, sagt der junge Mann. Von seiner Beeinträchtigung möchte sich Cousley-Lemke in keiner seiner Lebenslagen einschränken lassen. Auch wenn nicht immer alles sofort funktioniert. „Manchmal merkt man doch im Alltag, dass etwas nicht klappt. Aber ich möchte mich von nichts aufhalten lassen und schon gar nicht von meinem Handicap“, sagt er. „Gut, dass es heutzutage Hilfsmittel wie Bidets (Sitzwaschbecken, Anmerkung der Redaktion) und elektrische Zahnbürsten und dergleichen gibt.“ Cousley-Lemke erzählt, dass er seinen Führerschein gemacht und letztens sogar noch einen Zehn-Kilometer-Lauf mit Beinprothesen bewältigt hat. „Das möchte ich nochmal machen“, sagt er.

Selbstständig – allen Hürden zum Trotz

Das positive Denken klappe eigentlich immer. Auch wenn er in der Kindheit auch mal „spezielle“ Kommentare zu hören bekam. „In der Schule ging einmal rum, dass ich im Krieg gewesen war und deshalb meine Arme und Beine verloren habe“, erklärt Cousley-Lemke. „Mir ist es lieber, man spricht mich direkt darauf an, als sich blöd zu stellen – bei Kindern mache ich grundsätzlich eine Ausnahme, die wissen es nicht besser“, sagt er. Doch je älter Noel Cousley-Lemke wird, desto weniger würden ihn noch die Blicke von Außenstehenden interessieren. „Ich mache einfach mein Ding“, sagt er. Vielleicht komme das auch daher, dass der Kolbermoorer schon früh selbstständig wurde. Dass das nicht immer klappt, muss er sich hin und wieder eingestehen. „Im Alltag geht nicht immer alles, deshalb wäre es toll, wenn ich eine zuverlässige Haushaltshilfe hätte“, sagt er. Doch die Suche danach habe bislang noch zu keinem passenden Ergebnis geführt. Zudem versucht Cousley-Lemke, auch wieder eine neue Arbeitsstelle zu finden. „Ich würde gerne wieder in der Orthopädie arbeiten“, sagt er. Der 31-Jährige habe eine Ausbildung zum Orthopädiemechaniker angefangen, musste diese allerdings wegen eines Unfalls abbrechen, konnte dann aber nach kurzer Zeit durch einen internen Stellenwechsel eine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation machen. „Es wäre toll, wenn es in diesem Bereich noch mal klappen könnte“, sagt er.

Bis dahin hat er unter anderem eine GoFundMe-Seite gestartet, um etwas Geld für „wichtige Sachen“ zu haben. So hat er einen Elektrorollstuhl von der Krankenkasse gestellt bekommen, doch hier bereitet ihm vor allem eine Sache große Probleme. „Er frisst viel Strom“, sagt Cousley-Lemke. „Deshalb lade ich ihn nie ganz voll, da die Stromrechnung dann sehr hoch wird.“ Zusätzliches Geld würde ihm in diesem Fall eine große Erleichterung bringen. Und bis es mit dem Job und der Haushaltshilfe klappt, macht er so weiter, wie immer. Denn für Noel Cousley-Lemke gibt es scheinbar nur ein Lebensmotto: „Einfach versuchen, das Beste aus allen Lebenslagen zu machen.“

„Niemals aufgeben, einfach weitermachen“

Jeder Mensch habe seine eigene Definition von seinem Leben. Sei es, was er beruflich machen möchte, oder wie er sein Leben außerhalb der Arbeit gestalten will. „Und dazu sage ich, dass man einfach sein Ding machen sollte, auch wenn andere einen auslachen oder schief anschauen“, so Cousley-Lemke. „Niemals aufgeben, einfach weitermachen – Stärke und Robustheit helfen dabei.“

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