„Karriere ist kein Wunschkonzert“

von Redaktion

Tenor Jonas Kaufmann über seine krankheitsbedingte Pause und seine neue CD „L’Opéra“

Seit einem halben Jahr ist Jonas Kaufmann zurück auf der Bühne – und nach krankheitsbedingter Pause bringt der 48-Jährige eine CD mit französischen Arien heraus. Im Album „L’Opéra“ (Sony) könne er die ganze Bandbreite seiner Stimme ausspielen, wie der Tenor in unserem Gespräch erzählt.

-Ein voller Terminkalender, eine neue CD, weltweit Auftritte – haben Sie sich nach Ihrer Pause keine Zügel angelegt?

Ich war sicher sofort danach vorsichtiger. Das muss aber nichts Gutes sein. Natürlich muss ich auf meine Stimme aufpassen und spüren, wie viel möglich ist. Es wäre aber gefährlich gewesen, mir eine Schonhaltung aufzuerlegen und nicht voll auszusingen. Denn meine Stimme ist klarer und stärker denn je. Deswegen gibt es keinen Grund, extra vorsichtig zu sein. Aber ich fühle mich gleichzeitig bestärkt, bei Anzeichen von Problemen im Zweifelsfall Nein zu sagen.

-Davor scheuen ja viele Künstler zurück.

Die Karriere ist kein Wunschkonzert. Ich kann nicht alle halbe Jahre meine Meinung ändern und alles, was geplant ist, über den Haufen werfen. Da werden dann keine Verträge mehr kommen und eine Garde von Anwälten bereitstehen, um mich zu verklagen. Es kann natürlich passieren, dass die Qualität leidet und das Interesse an mir nicht mehr so da ist. Das ist bei mir nicht der Fall. Aber es stimmt: Die Mehrheit meiner Kollegen ist oft genau in dieser Lage. Bei Problemen müssten sie eigentlich absagen, treten trotzdem auf, weil sie Sorge haben, sonst nicht mehr engagiert zu werden – mit der Folge, dass sie trotzdem nicht mehr engagiert werden, weil sich Fehler der stimmlichen Qualität irgendwann rächen.

-Standen Sie jemals vor einem solchen Dilemma?

Ich habe relativ bald ein Selbstvertrauen entwickelt und mir gesagt: Wenn ich jetzt alles aufs Spiel setze, weil ich verpflichtet bin, dann riskiere ich meine Stimme. Dann wäre es mir lieber gewesen, einen anderen Beruf zu ergreifen und meine Stimme nicht zu verlieren. Natürlich, der Druck, nicht krank werden zu dürfen, kann immens sein. Es ist eine für beide Seiten unangenehme Situation, wenn der Veranstalter sagt: „Sie dürfen nicht absagen, alle Fans warten auf Sie.“

-Auf Ihrem neuen Album ist von Zurückhaltung nichts zu merken.

Das soll auch so sein. Klar, mit dem Alter büßt man eine gewisse Flexibilität in der Stimme ein. Ganz schnelle Koloraturen fallen mir schwerer als vor 20 Jahren. Das Piano und das Pianissimo, das Weiche und die Höhen sind sehr gut erhalten. Wichtig ist, dass gesund gesungen wird. Wenn ich meine Stimme nicht mehr mit meinem Körper unterstütze, betreibe ich Raubbau an den Stimmbändern. Das klingt dann zwar noch zart, aber für mich ist es falsch. Dann bräuchte ich solche Aufnahmen nicht mehr zu machen. Da wäre ich nicht mehr ich.

Das Gespräch führte Esteban Engel.

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