Streiten für mehr Menschlichkeit

von Redaktion

Wir haben Roger Waters auf der US-Tournee besucht, bei der er Musik gegen Trump macht – und die Welt verändern will

von robin droemer

Roger Waters, 74 Jahre alt, Legende, Querkopf und Sänger von Pink Floyd, wäre jetzt aufgeschmissen ohne seinen Fahrer Bryan. Ohne diesen kräftigen Amerikaner mit Schnauzbart, Sitzfleisch und Bleifuß. In ein paar Stunden beginnt Waters’ Konzert. Bryan wechselt die Spuren, schlängelt sich mit dem schwarzen Cadillac durch den Stau Richtung Brooklyn. Das ist sein Job: Musiker zu ihren Auftritten kutschieren, pünktlich und sicher. Während hier in New York die Spätsommersonne leuchtet, trifft Hurrikan „Irma“ gerade auf Floridas Südküste. Roger Waters sitzt auf der Rückbank des Wagens und summt sich durch die Tonleitern. Der Fahrer würde nie wagen, den Meister jetzt anzusprechen. „He ain’t foolin around“, sagt Bryan. Waters sei keiner, der rumalbert.

Am Abend wird sich das Barclays Center in Brooklyn komplett füllen. Seit Wochen tourt Waters mit einer neuen Show durch die USA. Sie führt ihn durch ein Land, in dem alles ein wenig größer ist als bei uns: Burger und Wolkenkratzer, aber auch der Riss, der sich durch die Gesellschaft zieht. „Us + Them“. Wir und sie. So hat der Musiker seine Tour genannt, die ihn im Juni 2018 auch nach München führt. Eine simple Rechnung, die nicht weniger enthält als den Ur-Konflikt der Menschheit.

Kurz vor Konzertbeginn stärken sich ein paar Väter in verblichenen Pink-Floyd-Shirts noch mit „Fried Chicken“. Die T-Shirts sind Originale aus Zeiten, als man „The dark Side of the Moon“ (1973) noch auf Platte kaufte. Neben ihnen ihre Kinder, geboren in einem anderen Jahrtausend, doch auch auf deren Smartphone-Hüllen prangt das berühmte Pink-Floyd-Prisma. Dass sich das Konzert um eine halbe Stunde verzögert, stört niemanden. Immerhin haben die Fans 25 Jahre auf Waters’ neues Studio-Album gewartet. Es hat sich gelohnt. „Is this really the Life we want“, so der Titel der bei Sony erschienenen Platte, ist eine furiose Tirade gegen die verkorkste Welt da draußen, gegen das korrupte Establishment und die kollektive Verblödung. Und natürlich gegen Donald Trump. Dass Waters nicht viel vom US-Präsidenten hält, macht er spätestens im Song „Picture that“ klar: „Picture a Leader with no fucking Brains“ – „Stell’ dir einen Anführer vor ohne verdammtes Hirn.“ Manche Altrocker produzieren neue Platten, damit man sich wieder an ihre Hits erinnert. Waters macht neue Musik, weil er die Welt verändern will. Mit gewaltigen Worten und einem Sound, der klingt wie Pink Floyd zu den besten Zeiten.

Dabei könnte man ihn so leicht für einen Zyniker halten. Ihn, den eigensinnigen Schlacks, der fast alle Lieder der Kultband schrieb. Und der immer ein wenig wirkt wie in seiner eigenen Welt. Auch jetzt, als er ohne Kommentar auf die Bühne schlendert, sich den Bass umhängt und sofort losspielt. Keine großen Reden, kein Seid-ihr-gut-drauf-Gehampel. Es wird klar: Waters hat eine Botschaft. Dafür ist er hier, dafür macht er Musik.

Wobei der Begriff „Konzert“ der neuen Show nicht gerecht wird. Die ganze Halle ist mit Lautsprechern bestückt. In bester Pink-Floyd-Manier inszeniert Waters Rockmusik als Raumklang-Installation. Dazu kommen gigantische LED-Wände, die hinter der Bühne und in der Mitte des Saals surreale Videokunst abspielen, wie man sie aus alten Musikvideos der Band kennt. Waters begeistert mit Klassikern wie „Wish You were here“ und „Another Brick in the Wall“.

Doch der Abend steht nicht im Zeichen der Nostalgie. „Ist das wirklich das Leben, das wir wollen?“, fragt Rogers mit seinem neuen Album und überträgt die Frage bildgewaltig ins Konzert. Da sind Szenen zu sehen mit Kindern, die im Müll wühlen, mit Drohnen, Explosionen und weinenden Gesichtern. Plötzlich schwebt etwas Rosafarbenes durch die Halle, ein aufgeblasenes Schwein mit Trumps Konterfei. Aus allen Ecken grunzt es. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Waters Donald Trump hasst. Trump verkörpert, was der 74-Jährige seit Jahrzehnten bekämpft: Ausbeutung. Rassismus. Gewalt. Mit dem neuen Präsidenten haben diese Übel für Waters endlich ein Gesicht, seine Wut ein greifbares Ziel. Wer weiß, wie die neue CD geklungen hätte, hätte Hillary Clinton die Wahl gewonnen.

Waters ist sich stets treu geblieben. Schon bei Pink Floyd bekämpfte er Fanatismus und Doppelmoral. Als wolle er sagen, „Typen wie dich kenne ich schon lange“, begleitet der Musiker in der Show den Flug des Schweins mit „Pigs“. Das Lied komponierte er 1976, doch es klingt, als sei es ein Kommentar auf Trump. Die Menge johlt, als Waters zu donnerndem Bass ein Bild nach dem anderen über die Videowand jagt: Trump als Schwein, als Baby, als Hitler.

In den vergangenen Wochen gab es auch Besucher, denen das zu viel war. In Kansas und Oklahoma verließen einige die Halle. Fragt man Waters danach, antwortet er lapidar: „Wenn sie meine Meinung überrascht, haben sie Pink Floyd nie richtig verstanden.“ Vielleicht wären sie gerade in diesem Fall besser geblieben. Denn so sehr Waters zürnt, erschöpft sich der Abend nicht darin, Verstärker einer Wut zu sein. Nachdem er mit „Welcome to the Machine“ die Letzten aus den Sitzen gerissen hat, taucht Waters auf aus seinem Furor. „Die Show ist eine Reise. Gemeinsam verspotten wir diesen Schwachsinnigen. Aber dann nehmen wir alle mit an einen anderen Ort. Es geht um Menschlichkeit, nicht um Zorn“, erklärt Waters anderntags im Gespräch mit unserer Zeitung. Menschlichkeit, das Gemeinsame – das sei seine Lösung der Gleichung „Us + Them“. „Wenn wir das Trennende überwinden, gibt es nur noch ein ,Us‘. Dann sind wir alle eins.“

Waters lässt keine Zweifel, wie er die Welt sieht. Auch nicht daran, wie man sie aus seiner Sicht verändern sollte. Er fordert eine moralische Revolution und liefert den phänomenalen Soundtrack gleich mit. Für alle, die es am Ende des Konzerts immer noch nicht verstanden haben, lässt er zu elegischem Klavierklang Konfetti-Schnipsel regnen. Fängt man einen und faltet ihn auf, steht da nur ein Wort: „RESIST“. Widerstehe.

Konzert in München:

Roger Waters spielt am 13. Juni 2018 in der Münchner Olympiahalle; Karten unter Telefon 01806/ 999 0000 oder 01806/ 57 00 00.

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