Schönheit wird zelebriert

von Redaktion

Die Münchner Philharmoniker boten in München unter Valery Gergiev ein Programm mit Schubert- und Bruckner-Symphonien

Von Maximilian Maier

War es beim Konzert am Tag zuvor noch vor allem eine Annäherung von Valery Gergiev an die frühen Symphonien Bruckners, wird bei dessen vierter Symphonie, der „Romantischen“, und vor allem bei der h-Moll-Symphonie von Franz Schubert eine tiefe Vertrautheit mit den Werken spürbar. Gergiev trifft wunderbar den ungewiss-spannungsvollen Puls zu Beginn der „Unvollendeten“. Im berühmten G-Dur-Motiv entfalten die Celli eine sehnsuchtsvolle Empfindsamkeit, welche die ersten Geigen in ebensolcher Zartheit durch glitzernde Klangfarbe veredeln. Gergiev stimmt das alles sehr genau und mit unaufgeregter Selbstverständlichkeit ab, wodurch er der eigentlich so vertrauten Melodie eine Natürlichkeit verleiht, als würde man sie zum ersten Mal hören. Schicksalsschwangere Klüfte und schroffe Gegensätze zu diesem Idyll, wie die Sforzato-Einsätze der tiefen Bläser, sucht er in der Partitur weniger, vielmehr bettet er auch diese in den fließenden Atem des Werks ein. Eine Zelebration der Schönheit. Die vierte Symphonie von Anton Bruckner haben die Münchner Philharmoniker und Gergiev mehrmals aufgeführt, auch auf der Asientournee 2015. Und es ist spürbar: Da ist was zusammengewachsen.

Gergiev geht dynamisch noch mehr an die Grenzen, berückenderweise im Leisen, wo er die Zartheit Schuberts aufnimmt. Leider manchmal auch im Lauten, wie im Finale, als das Blech phonstark selbst den Hörnern keine Chance lässt. An so einem Abend kann ja auch mal der Gaul mit einem durchgehen. Die vielen schweren Orchestersoli gelingen hervorragend. Wie einmal mehr bei Jörg Brückner am Horn, der selbst da noch großartige Musik macht, wo andere ums Überleben kämpfen. Im Scherzo preschen die Philharmoniker mit einer so überrumpelnden Wucht los, dass manche Bläsereinwürfe erst im Da capo völlig klar werden. Groß gerät der zweite Satz: Wenn die Bratschen das Ruder übernehmen, holt Gergiev alle dynamischen Details, und deren gibt es an dieser Stelle viele, minutiös heraus und bildet sie doch zu einem Ganzen. Den mystischen Urgrund sucht er auch zu Beginn des Finales nicht. Aber als er vor dem Andante noch einmal kurz  absetzt,  um völlige Ruhe einkehren zu lassen, kommt doch etwas von Gottesdienst-Atmosphäre auf. Ein kleiner Vorgeschmack, auf die anstehenden Konzerte an Bruckners Grab in St. Florian?

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