Vor der Premiere von „Hänsel und Gretel“

„Wenn nötig unter den Läufen von Kalaschnikows“

von Redaktion

Trotz aller Appelle bleibt Kirill Serebrennikow in Moskau unter Hausarrest – Stuttgarter Oper will den Fall des russischen Künstlers diskutieren

von ulf mauder

Alles Bitten vergebens für Kirill Serebrennikow: Vor der Premiere von „Hänsel und Gretel“ in Stuttgart muss der Künstler in Moskau in Hausarrest bleiben, externe Kommunikation ist ihm verboten. Eindringlich bat der 48-Jährige vor Gericht noch darum, ihn zumindest für einige Tage freizulassen, damit er seine laufenden Projekte beenden könne. „Wenn nötig unter den Läufen von Kalaschnikow-Maschinenpistolen“, sagte er in Moskau. In Stuttgart zerschlugen sich damit die Hoffnungen, dass Serebrennikow doch zur Premiere am Sonntag kommen kann. „Wir alle können das nicht verstehen, sind traurig und wütend“, sagte Intendant Jossi Wieler. Er hatte das Vorgehen der Moskauer Justiz als politisch motiviert kritisiert – diese habe das Ziel, der künstlerischen Freiheit insgesamt einen Schlag zu versetzen.

Vorerst sitzt der Künstler jetzt drei weitere Monate in Hausarrest – bis 19. Januar. Zehn Jahre Haft drohen ihm im Fall einer Verurteilung. Er selbst bezeichnete die Vorwürfe bei der etwa sechsstündigen Verhandlung einmal mehr als „absurd“. In Stuttgart sieht Wieler das genauso. Er nennt das Vorgehen „erschütternd“.

Serebrennikow wollte „Hänsel und Gretel“ im Kontext der Globalisierung inszenieren – anhand des Schicksals von Kindern aus Ruanda, die auf der Suche nach Glück in die Welt des Konsums gelangen. „Ein Märchen über Hoffnung und Not, erzählt von Kirill Serebrennikow“ lautet der Untertitel der Produktion. Vor der Premiere ist die Podiumsdiskussion „Chronik der Ereignisse – Kirill Serebrennikow im Visier der Staatsgewalt“ auch mit russischen Intellektuellen geplant. Dabei dürfte es unter anderem darum gehen, dass jeder Künstler, der in Russland staatliche Fördergelder annimmt, sich der Gefahr der Einflussnahme aussetzt. „Wer zahlt, bestellt die Musik“, lautet ein von Kremlchef Wladimir Putin benutztes Bonmot.

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