Gespräch zur Premiere im Deutschen Theater

Gänsehaut im Glockenturm

von Redaktion

„Der Glöckner von Notre Dame“ kommt nach München

von tobias hell

Es ist eine der berühmtesten Geschichten aus der Feder Victor Hugos – vielfach verfilmt, vertanzt und als Oper adaptiert. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis „Der Glöckner von Notre Dame“ früher oder später auch die Musicalbühne erobern würde. Am kommenden Wochenende öffnet sich nun der Vorhang im Deutschen Theater für die umjubelte Disney-Produktion, die schon bei ihrer Spielserie in Berlin für Furore sorgte und nun endlich auch in München zu sehen ist.

Von großem Presserummel begleitet wurde 1999 bereits die Berliner Uraufführung. Schließlich war es damals die erste Disney-Premiere außerhalb der USA, mit welcher der prestigeträchtige Theaterneubau am Potsdamer Platz eröffnet wurde. Hier brachte Quasimodo drei Jahre lang die Glocken zum Klingen.

An den Broadway schaffte es die Produktion bislang zwar nicht, doch für Komponist Alan Menken blieb der „Glöckner“ trotz Welterfolgen wie „Aladdin“ oder „Die Schöne und das Biest“ sein liebstes Kind, von dem er nicht so leicht Abschied nehmen wollte. Und so brachte er 2014 in Kalifornien mit einem neuen Kreativteam eine überarbeitete Fassung heraus, die zuletzt auch bei der Heimkehr des „Glöckners“ nach Berlin Fans und Kritiker gleichermaßen staunen ließ.

Das große Bühnenspektakel von einst ist nun einer klaren, reduzierten Bildsprache gewichen, die den Fokus ganz auf die Figuren lenkt. In der Hauptrolle des Quasimodo gibt es ein Wiedersehen mit David Jakobs, der in München zuletzt am Gärtnerplatztheater als Judas in „Jesus Christ Superstar“ brillierte. Obwohl er schon reichlich Bühnenerfahrung mitbringt, war die Arbeit mit Broadway-Veteran Menken und Regisseur Scott Schwartz für Jakobs eine ganz besondere Erfahrung. „Ich finde es vor allem gut, dass diese gewaltige Partitur bewusst mit einer fast schon puristischen Inszenierung kombiniert wird, und man nicht versucht, da noch ein technisches Feuerwerk draufzusetzen.“

Ein Aspekt, der auch seinen Kollegen Felix Martin reizt, der die Uraufführung einst als Zuschauer erlebt hat und nun selbst als Bösewicht Frollo auf der Bühne steht. „Wir spielen viel mit der Fantasie des Publikums und kommen hier quasi wieder zum richtigen Theater zurück, bei dem wir mit einfachen Mitteln große Bilder erzeugen. Dabei sind aber nicht nur wir Hauptdarsteller wichtig, sondern das gesamte Ensemble und unser Extrachor. Dieses Stück ist echte Teamarbeit.“

Die Kraft der Geschichte sieht Felix Martin vor allem in den zeitlosen Themen, die Victor Hugo in seinem Roman verhandelt hat. „Es geht um Menschen, die Zuflucht suchen, und um die Ausgrenzung von jemand, der anders ist. Auch wenn unser Stück 1482 spielt, denke ich, dass das immer noch sehr aktuelle Themen sind. Wenn ich als Frollo in meiner ersten Szene predige und vor den Fremden warne, ist das etwas, was man heute leicht auch von gewissen neuen Parteien im Bundestag hören könnte.“

Selbst wenn im Gespräch immer wieder die Rede auf diesen „ungewohnt ernsten“ Disney-Stoff kommt, sieht David Jakobs im „Glöckner“ dennoch eine Geschichte für alle Generationen. „Kinder verstehen sehr viel und machen sich natürlich auch ihre Gedanken. Wir haben neulich eine Schulklasse besucht, die bei uns in der Show war. Die hatte als Aufgabe, Briefe an Quasimodo zu schreiben. Und da haben wir schon gemerkt, wie nahe ihnen unsere Geschichte gegangen ist. Ganz oft kam die Frage: ‚Warum lässt du zu, dass man dich so behandelt?‘ Ein anderer Schüler schrieb: ‚Ich würde gerne dein Freund sein und dir helfen, wenn die anderen gemein zu dir sind.‘“

Bei Sätze wie diesen bekommt auch die Australierin Sarah Bowden, die Esmeralda spielt, Gänsehaut. „Es ist eine sehr emotionale Geschichte, die man auch als Darstellerin erst einmal verdauen muss. Beim Finale können wir bis in die ersten Reihen sehen und dem Publikum quasi in die Augen schauen. Die Reaktionen so direkt erleben zu können, das ist schon ein großes Geschenk.“

Dass man hier etwas Besonderes geschaffen hat, scheint auch den Machern in Kalifornien bewusst zu sein, wie Maximilian Mann, der als Hauptmann Phoebus auf der Bühne steht, zu berichten weiß. „Vor ein paar Wochen hat uns der Chef von Disney besucht und gesagt, dass das Stück für ihn jetzt endlich bei sich selbst angekommen ist. Ein schöneres Kompliment kann man fast nicht bekommen.“

Premiere

ist am Sonntag, 12. November, 19 Uhr; bereits am Samstag, 11. November, findet um 19.30 Uhr eine Preview statt. Die Produktion läuft anschließend bis 7. Januar im Deutschen Theater; Karten unter 089/ 55 234 444.

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