Da ist dieser Hagestolz, obwohl aus bestem Altmünchner Bürgertum doch ein wenig schrullig mit seinem Steckenpferd, der Krippen-Sammelei, und dem frommen Gehabe. Und da ist der weltgewandte Bankier, der neben München in Brüssel, London und den USA ausgebildet wurde, der in bester Lage residiert, exzellente Geschäfte macht, das Prinzregententheater mit aus der Taufe hebt und fest liiert ist mit der königlich bayerischen Hofschauspielerin Josephine Menge. Kaum zu glauben, aber die Rede ist von ein und demselben Mann: Max Schmederer (1854-1917). Und so wie er Gegensätze oder, besser gesagt, Klischees vereinigt, so ambivalent nehmen wir ihn heute wahr. Wir alle kennen ihn indirekt, denn fast jeder Münchner hat seine weltberühmte Krippensammlung im Bayerischen Nationalmuseum besucht – auch der, der sonst Museen eisern meidet. Die Person hinter seinen Schätzen kennen wir aber nicht mehr.
Sybe Wartena und Thomas Schindler, der ehemalige und der aktuelle leitende Konservator der fulminanten Krippenausstellung, schufen deswegen nun Abhilfe. In die schummrig beleuchteten, geheimnisvollen Krippen-Kammern und -Gänge wurden alle auffindbaren Informationen zusammengetragen zu: „Herr der Krippen – Max Schmederer, Sammler, Stifter, Visionär“. Schließlich verdankt ihm das Museum einen internationalen Besuchermagneten für Klein und Groß, der noch heute eine enorme Anziehungskraft besitzt. Im Labyrinth verstreut zwischen Engelsgruppen, dem Krippen-Jakl, der Heiligen Familie, den Hirten und Königen, zwischen Kühen, Hühnern und Dromedaren, zwischen Ruinen, Schlössern und Bergen wird von Schmederer und seinen Aktivitäten mit kurzen Texten und mit Fotografien aus alter Zeit erzählt.
Als kluger und strategisch denkender Mensch kaufte er nicht nur weitsichtig, sondern wollte seinen Besitz samt seinen Inszenierungsideen auch gesichert wissen. Er verhandelte deswegen mit München, Nürnberg und Berlin. Der Münchner Magistrat lehnte sogar dann noch ab, als der Bankier anbot, auf eigene Kosten für einen Ausstellungspavillon zu sorgen. So machte das Nationalmuseum das Rennen, und der Staat ließ sich mit Ehrungen nicht lumpen. Die Museumschefs ihrerseits erkannten das Potenzial des Alleinstellungsmerkmals Krippen und unterstützten Schmederers weitere Zukäufe – obwohl das zum Teil ausladende, opulente Krippenanlagen waren.
In den späten 1880er-Jahren hatte Max Schmederer, der an einem Lungenleiden litt, begonnen zu sammeln. Er kaufte zunächst Arbeiten von Münchner, Tölzer und Tiroler Meistern. Später kamen italienische, insbesondere neapolitanische und sizilianische Krippen hinzu. 1897 hatte sich der Unternehmer wegen seiner angeschlagenen Gesundheit ganz aus dem Geschäft zurückgezogen und engagierte sich umso mehr für die Münchner Kultur, ob Theater, Panoramen oder eben Krippen. Drei Viertel seines Domizils – erst an der Neuhauser, später an der Brienner Straße – waren für die Krippen-Installationen und für Werkstätten reserviert. Auch die Münchner wurden eingeladen, dieses große Theater im Kleinen zu bestaunen. Zugleich sorgte Schmederer durch Beziehungen dafür, dass zum Beispiel in Zeitungen fleißig über ihn publiziert wurde. Der Besuch von Kaiser Wilhelm II. und Auguste Viktoria 1906 war eine wunderbare Werbung, die der Münchner geschickt verwertete. Das hohe Paar bekam natürlich eine heute verlorene „Kaiserinnenkrippe“ geschenkt.
Alle Aktivitäten basierten jedoch auf Schmederers untrüglichem Sinn für diese Kunst. Er sah die Qualitäten derer, die die Figuren von der Mimik über die Gestik bis hin zur Kleidung charakterisierten, er erkannte aber genauso, dass die „Rollen“ gut inszeniert werden müssen. Er ließ sich dabei von den alpinen und italienischen Landschaften inspirieren. Und von antiken Ruinen, die ja auch Maler gern für ihre Darstellungen der Geburt Jesu beziehungsweise der Anbetung der Hirten oder der Drei Könige nutzten. Um das zu verdeutlichen, haben die Kuratoren aus dem Depot ein Ruinenstück, einen ruinösen Säulenbaldachin und ein alpines Häuschen mit ausklappbarer Stube – alle mehrfach einsetzbar – in die Dauerausstellung mit hineingenommen. Die Bühnenbilder waren Schmederer so wichtig und haben ihm wahrscheinlich so viel Spaß gemacht, dass er die Krippen sogar fürs Nationalmuseum mit Landschaften und Architekturen versah. Atemberaubend sind die Rund-, Marmorpalast- und die Vesuv-Krippe, die den bezaubernden Blick auf den Golf und den Vulkan freigibt.
Ergänzend zu der Schmederer-Geschichte berichtet das Bayerische Nationalmuseum außerdem darüber, wie sorgfältig es mit seinem Erbe umgeht. Fotografien aus dem Depot und der Restaurierungswerkstatt für Farbe, Holz, Kork, Wachs und Stoffe aller Art belegen, dass nicht nur Mann und Weib optimal geschützt werden, sondern selbst Gans und Ganter.
Bis 4. März
Di.-So. 10-17, Do. bis 20 Uhr; Prinzregentenstraße 3; Telefon: 089/ 21 12 42 16.