„Ich bin noch nicht beruhigt“

von Redaktion

Mariss Jansons, Chef des BR-Symphonieorchesters, über das neue Konzerthaus und eine mögliche Intendantenlösung

Wie das neue Konzerthaus im Münchner Werksviertel aussehen soll, kann man nach dem Architektenwettbewerb erahnen. Und doch lässt sich Mariss Jansons, Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters, nicht zu Jubel-Arien hinreißen. Er bleibt vorsichtig optimistisch – und bringt eine Intendantenlösung ins Spiel.

-Wenn man Sie derzeit über den Saal reden hört, könnte man glauben, die Akustik sei Ihnen wichtiger als die Architektur.

Das stimmt. Wobei beides natürlich wichtig ist. Viele kritisieren, der Siegerentwurf sei zu einfach, zu unspektakulär. Aber was nützt ein grandioses Gebäude, wenn der Saal schlecht klingt? Ich stelle mir vor, dass man viel mit farbigen Lichtspielen machen kann. Außerdem muss man das gesamte Viertel einbeziehen und bedenken, wie die Architektur in diesem Bezirk wirkt.

-Hat dieser eher schlichte Entwurf gewonnen, weil man wusste, dass man die Elbphilharmonie nicht übertreffen kann?

Die Entscheidung fiel, weil dieser Entwurf sehr viele Möglichkeiten für das Raumprogramm bietet. Er ist sehr flexibel. Der Architekt ist auch offen für die Zusammenarbeit mit dem Akustiker, der ja noch bestimmt werden muss. Das ist sehr wichtig. Es gibt genügend Streitfälle, in der ein Architekt nicht erlaubt, dass aus akustischen Gründen etwas geändert wird. Wenn unser Saal keine perfekte Akustik bietet, werden am Ende alle sagen: Warum wurde so viel Geld ausgegeben?

-Mehr als ein Dutzend Jahre hat man über den Saal diskutiert. Wurde jetzt die entscheidende Hürde genommen? Sind Sie endlich optimistisch?

Ganz ehrlich: Ich bin noch nicht beruhigt. In diesen zwölf Jahren wurde so viel versprochen, auch intrigiert, und ich habe, vielleicht etwas naiv, gehofft, dass in Deutschland gern etwas für die Musik getan wird – doch immer gab es Rückschläge. Natürlich ist die Situation für den Saal jetzt eine bessere als vor zwölf Jahren. Viele Probleme wurden gelöst. Trotzdem kann es noch, auch aus finanziellen Gründen, Widerstand geben.

-Glauben Sie, dass der auch aus der Bevölkerung kommen könnte?

Ich denke nein. Hier gibt es doch einen Stolz auf das blühende kulturelle Leben. Jetzt etwas zurückzudrehen, wäre außerdem eine Blamage.

-Entscheidend ist auch, wie man für das Projekt lebt und wirbt. Max Wagner, der neue Gasteig-Chef, hat sich innerhalb kürzester Zeit die Zustimmung für eine 450-Millionen-Sanierung gesichert.

Das ist in unserem Fall ein Problem. Wir wissen noch nicht, wer als Person für den Konzertsaal verantwortlich ist und ihn nach außen vertritt. Wenn wir einen Chef hätten, könnte man schon jetzt etwas bewirken. Natürlich werde ich mich weiter um die Sache kümmern. Aber ich habe nicht genug Zeit, um auch noch den Saal zu organisieren, bei unserem hervorragenden Orchestermanager Nikolaus Pont ist das ebenfalls so. Auch in den Behörden des Freistaats und bei den Politikern ist man dem Saal gegenüber sehr positiv eingestellt. Aber wer soll die tägliche Arbeit machen?

-Heißt das, Sie plädieren für eine Intendantenlösung? Kunstminister Ludwig Spaenle spricht immer von einer „Mischlösung“, ohne zu definieren, was er damit genau meint…

Ein Intendant – warum nicht?

-Weil vielleicht Ihr Symphonieorchester und auch der Bayerische Rundfunk fürchten, dass man über ihren Kopf hinwegbestimmt.

Der Einwand überzeugt mich nicht. Es besteht immer ein Wille zur Kooperation. Es muss doch nicht zur ständigen Konfrontation kommen. Man braucht diesen Posten ja nicht Intendant nennen, meinetwegen Geschäftsführer, Direktor oder künstlerischer Leiter. Das Symphonieorchester hat das Erstbelegungsrecht, wir können dort unsere Konzerte spielen – und wer soll all die anderen Tage organisieren und für die künstlerische Planung sorgen? Wer soll dieses Kulturzentrum mit seinen vielen anderen Aufgaben aufbauen und das Musikleben entwickeln? Wir haben nicht die Kapazitäten, um das Konzerthaus zu führen.

-Max Wagner hat sogar eine gemeinsame Intendanz von Konzertsaal und Gasteig ins Spiel gebracht.

Das nun finde ich nicht gut. Es soll schon eine gesunde Konkurrenz geben.

Das Gespräch führte Markus Thiel.

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