Münchner Philharmoniker,
Philharmonie
Wenn Ton Koopman mit den Münchner Philharmonikern Bachs Weihnachtsoratorium (Kantaten eins bis vier) aufführt, dann verspricht das eine spannende Mischung. Hier der Originalklang-Spezialist mit erfolgreichen eigenen Ensembles, dort ein Orchester mit langer Bildung in Sachen Klang, musikalische Bögen und großer Atem. Der Hit „Jauchzet, frohlocket“ kommt energiegeladen und lebendig daher. Daran hat der Philharmonische Chor (Einstudierung: Andreas Herrmann) maßgeblichen Anteil, durch klare Artikulation, Homogenität und Klangschönheit. Dieses Temperament kann Koopman nicht aufrechterhalten. Die Philis sind kein auf geradlinige Hochgeschwindigkeit trainiertes Spezialensemble. Immer wieder klappert es in den Streichern oder im Zusammenwirken mit dem Chor, was auch Koopmans eigenwilliger Zeichengebung geschuldet sein mag. Vieles wie die Choräle oder die Sinfonia wirkt theoretisch inspiriert und vermag kaum zu berühren. Eigentlich paradox angesichts eines so herzlichen, vitalen Dirigenten.
Da fallen Solisten wie Christina Landshamer (Sopran) umso mehr auf. Auch Tilman Lichdi gibt einen lupenrein singenden Evangelisten, der Arien-Koloraturen bei rasanten Tempi meistert. Wiebke Lehmkuhl umarmt einen förmlich mit warmem Mezzo. Dass ein Wotan, Sachs oder Scarpia wie Michael Volle einen so geschmackvollen, virilen Bach singen kann, ist beeindruckend und heute leider fast singulär. Auch die Instrumentalisten zeigen ihre Extraklasse und agieren wie zweite Singstimmen: Marie-Luise Modersohn (Oboe), Michael Martin Kofler (Flöte) und besonders exquisit Guido Segers (Trompete). Warum eigentlich nutzt man nicht die Chance, wendet sich den Stärken dieses Orchesters zu und führt einen Bach auf, wie er nicht mehr zu hören ist: symphonisch grundiert, mit Mut zur Innigkeit? maximilian maier