Das Bildnis der Doris Gay

von Redaktion

Partystimmung bei der deutschen Erstaufführung von „Priscilla – Königin der Wüste“ am Münchner Gärtnerplatztheater

von tobias hell

Lustig, schrill, bunt und alles andere als leise. So hielt „Priscilla – Königin der Wüste“ am Premierenabend Einzug im Gärtnerplatztheater. Und man muss kein Prophet sein, um Ihrer Majestät hier eine lange Regentschaft vorherzusagen – dürfen die eingangs verwendeten Adjektive doch ebenso für das Publikum gelten, das zum finalen Disco-Medley in ausgelassener Partystimmung durch den Konfettiregen im Parkett tanzte. Denn wie erwartet ist die Bühnenfassung des gleichnamigen australischen Kultfilms im Herzen des Glockenbachviertels einfach das richtige Stück zur rechten Zeit am rechten Ort und wird nicht nur von der offensichtlichen Zielgruppe lautstark gefeiert.

Verpackt in ohrwurmträchtige Discohits der Siebziger- und Achtzigerjahre, erzählt das Musical die Geschichte von drei Dragqueens, die in einem klapprigen Bus, den frau kurzerhand auf den Namen Priscilla tauft, eine abenteuerliche Reise von Sydney nach Alice Springs antreten. Dort will Tick, der Anführer des ungleichen Trios, acht Jahre nach der Trennung von Frau Marion endlich seinen kleinen Sohn kennenlernen. Der allerdings weiß noch nichts vom Beruf des Vaters, der unter dem Künstlernamen „Doris Gay“ in High Heels und Perücke seine Brötchen verdient.

Genau wie bei Tick läuft auch im Leben seiner beiden Reisegefährtinnen nicht alles ganz so rund. Damit ist der Boden bereitet für einen skurrilen Roadtrip, auf dem wir die auf den ersten Blick so überdrehten Rampensäue immer mehr auch von ihrer sensiblen Seite kennenlernen. Genau hier kommt Regisseur Gil Mehmert ins Spiel, der dem Ensemble in der Exilzeit bereits eine grandiose Deutung von „Hair“ beschert hatte und gemeinsam mit seinem Ausstattungsteam nun den nächsten Knaller hinterherschiebt.

Selbst wenn Klischees teilweise ausgiebig gemolken werden und das Witzniveau sich oft unterhalb der Gürtellinie bewegt: Mehmert verrät seine Figuren nie, sondern zeigt sie als Menschen aus Fleisch und Blut, denen eben oft nur der Humor als einzige Waffe bleibt, wenn es darum geht, sich gegen homophobe Kleingeister zu wehren. Wo die Originalproduktion eine regelrechte Kostümorgie war, für welche man in Sydney sowie später in London und New York wahrscheinlich mindestens einen Jahres-Etat des Gärtnerplatztheaters verschneiderte, hat die deutsche Erstaufführung ihre Stärken vor allem in den ruhigeren Momenten zwischen den Showsequenzen. Dann, wenn es um Freundschaft, Liebe und Vertrauen geht. Nicht zuletzt deshalb, weil das Haus ein starkes Trio in den Hauptrollen aufbieten kann.

Neben Armin Kahl, der als innerlich zerrissener Tick eine emotionale Achterbahnfahrt durchlebt, räumt hier vor allem Erwin Windegger als alternde Transsexuelle Bernadette ab, die immer noch in den Erinnerungen an ihre Glanzzeiten schwelgt. Auch wenn das Gesicht nicht mehr ganz so faltenfrei und die Beine nicht mehr ganz so stramm sein mögen: Die scharfe Zunge funktioniert immer noch bestens, um die junge Generation mit herrlich sarkastischen Sprüchen auf ihren Platz zu verweisen. Dankbares Opfer ist unter anderem Terry Alfaro als Adam alias Felicia, dessen Ziel im Leben darin besteht, dorthin zu kommen, „wo noch nie eine Dragqueen vorher war“ und ein Kylie-Minogue-Medley auf dem Uluru zu performen. Alfaros Felicia ist keineswegs die Einzige im Bunde, die eine gute Show zu inszenieren weiß. Auch Choreografin Melissa King spart nicht mit Schauwerten und gibt in dynamischen Revue-Szenen der Langeweile keine Chance. Wenn bei der Eröffnungsnummer „It’s raining men“ im wahrsten Sinne des Wortes eine Traube von knackigen Waschbrettbauchbesitzern unter dem Johlen der Zuschauer aus dem Bühnenhimmel schwebt, ist bereits die Messlatte gelegt, die bis zum Endspurt kaum mehr unterschritten wird. Dafür sorgen ebenfalls drei stimmgewaltige Diven (Dorina Garuci, Jessica Kessler und Amber Schoop), die zu den Playback-Auftritten der Dragqueens mit Jeff Frohner am Dirigentenpult den druckvollen Live-Sound beisteuern.

Man hätte sogar mehr Spaß, wenn ein wenig mehr Text zu verstehen wäre. Denn obwohl sich jeder zweite Song problemlos mitsingen ließe, gehen die darin eingebetteten Dialoge meist in der Musik unter: der einzige Wermutstropfen des ausgelassenen Abends. Und die gerade im aktuellen politischen Klima so wichtige Botschaft für etwas mehr Toleranz – oder noch besser: Akzeptanz – hat man schließlich auch so gut verstanden.

Nächste Vorstellungen

an diesem Samstag und am 19., 21., 22., 31. Dezember sowie am 5., 6., 13. und 14. Januar; Tel.: 089/ 2185-1960.

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