„Il trittico“ komplett, das gab es an der Bayerischen Staatsoper lange nicht mehr. Fast 60 Jahre sind vergangen, seit Puccinis drei Einakter „Il tabarro“, „Suor Angelica“ und „Gianni Schicchi“ gemeinsam auf der Bühne des Nationaltheaters erschienen. Damals auf Deutsch, nun im italienischen Original. Premiere ist an diesem Sonntag, am Pult steht Kirill Petrenko. Was tun mit drei so unterschiedlichen Werken? Auch Lotte de Beer, die holländische Regisseurin, brauchte etwas Zeit, bis sie Zugang zum tönenden Triptychon fand. „Irgendwann spürte ich, dass das Ganze ein Theatererlebnis ist und von Puccini keineswegs beliebig zusammengesetzt wurde. Gleichwohl konnte ich nicht einfach eine Geschichte daraus machen. Immerhin eint die drei Einakter, dass Puccini ein schwarzes Menschenbild zeichnet und den Tod ins Zentrum rückt.“ In „Il tabarro“ (der Mantel) tötet Schleppkahn-Besitzer Michele den Liebhaber seiner Frau Giorgetta. In „Suor Angelica“ stirbt die ins Kloster abgeschobene Titelheldin, nachdem sie hört, dass ihr uneheliches Kind nicht mehr lebt. In „Gianni Schicchi“ legt sich selbiger ins Totenbett eines reichen Mannes und diktiert dem Notar ein neues Testament, in dem er sich – zum Schrecken der Verwandtschaft – den Löwenanteil des Erbes selbst vermacht. Lotte de Beer belässt die Stücke in der vorgegebenen Zeit: „Il tabarro“ spielt um 1910, „Suor Angelica“ Ende des 17. Jahrhunderts, Gianni Schicchi treibt seine bösen Späße an der Schwelle zur Renaissance. Dieser Blick zurück soll, so sagt die Regisseurin, eines beweisen: „Der Mensch bleibt immer gleich.“ Als Rahmen für die Geschichten hat ihr Bühnenbildner Bernhard Hammer einen (Zeit-)Tunnel gebaut. Er symbolisiert für Lotte de Beer „den Weg zwischen Leben und Tod und von der Jetztzeit in die Vergangenheit wie in die Zukunft“. In ihm lässt sie eine heutige Trauergesellschaft als verbindendes Element mehrfach wiederkehren. Viel Dekor ist nicht gefragt, Lotte de Beers Blick gilt den Menschen, „den menschlichen Zuständen und Zumutungen“. Dieser Fokus auf die Personen ist das Wesentliche, was sie von ihrem Lehrmeister Peter Konwitschny mitgenommen hat. Eigentlich wollte die Regisseurin, die schon als Schülerin am Konservatorium in Maastricht Klavier- und Gesangsunterricht hatte, Sängerin werden. Doch ihre Scheu, auf einer Bühne große Gefühle preiszugeben, stand ihr im Weg. Deshalb studierte sie in Amsterdam Regie. Erste Opernarbeiten führten sie nach Leipzig, Essen, zur Münchener Biennale („Vivier“) und mehrfach ans Theater an der Wien. Wenn Lotte de Beer nicht an ehrwürdigen Häusern arbeitet, mischt sie in den heimischen Niederlanden mit ihrer Truppe Operafront auf.
„Wir haben kaum Geld, aber viele Ideen. Alle Mitwirkenden sind mit Leidenschaft dabei.“ Großes hat sie sich vorgenommen und will die Oper auch für die Jugend des 21. Jahrhunderts attraktiv machen. „Social Media verhindert bei vielen jungen Leuten die Kommunikation, sie kennen keine Religion mehr, keine Rituale.“ Mit Opas Oper will die Regisseurin in dieses Vakuum stoßen und ist zum Beispiel auch bereit, Verdis „La traviata“ einzudampfen. Der Münchner Komponist Moritz Eggert lieferte ihr dafür ein Arrangement. Und so eroberte Violetta – mit Geschrei und Pfiffen begrüßt – Besucher eines Rockfestivals in den Niederlanden. „Es war ein Wagnis, aber bei Violettas Tod konnte man eine Stecknadel fallen hören und die Tränen kullern sehen“, sagt Lotte de Beer strahlend. Dann verabschiedet sie sich rasch: Die gerade mal zehn Wochen alte Tochter wartet.
Premiere
am kommenden Sonntag; Kartenstand und Livestream (23. Dezember) unter www.staatsoper.de.