Moses ist immer dabei. Neunzig Minuten lang geht es um ihn und doch auch um ganz anderes. Sein Leben, oft zitiert nach dem Alten Testament oder dem Koran, ist der Aufhänger für das nach ihm benannte Musiktheater-Projekt der Bayerischen Staatsoper, das junge Geflüchtete und Münchner mit und ohne Migrationshintergrund auf die Bühne bringt. Die Flucht der Israeliten durch Meer und Wüste ins Land, wo Milch und Honig fließen, bietet reichlich Gelegenheit fürs bunte, turbulente, fest im Heute verankerte Spiel, bei dem sie den Finger auf aktuelle Wunden legen.
Sie erzählen im Rennert-Saal von ihrer Flucht aus Afghanistan und Syrien. Sie berichten von Stammesfehden und Militärputsch in Guinea, von den Gräueltaten der Boko Haram im Norden Nigerias – aus eigenem Erleben. Wer jetzt glaubt, Jessica Glause (Konzept, Regie) und Benedikt Brachtel (Musik) haben einen Betroffenheits-Abend veranstaltet, der irrt gewaltig. Bei allem Ernst, den ihre Mitstreiter durch kurze authentische Berichte einbringen, überwiegen doch Lebenslust und Freude.
Auf einem drehbaren Podest mit hölzernem Klettergerüst (Valerie Liegl) sind die 30 jungen Frauen und Männer aktiv, schrill kostümiert (Lena Winkler-Hermaden) und geschminkt wie zum Fasching. Sie singen einzeln oder – sehr eindrucksvoll – im Chor und werden dabei von Brachtel und neun Instrumentalisten sicher durch die Opernklänge von Rossinis „Mosé“ sowie durch Pop, Beat und betäubende Kakophonie geschleust. Dass die jungen Münchner zum Shoppen laufen, während anderswo der Krieg tobt, dass es Ängste gibt, auf beiden Seiten – auch das wird nicht verschwiegen. Und die Muslime staunen, wie leer die Kirchen hierzulande sind. Ein Afghane beteuert, dass er keine (Heuschrecken-)Plage ist. Und sogar dem Goldenen Kalb gewinnen die Darsteller etwas Positives ab: Es symbolisiert für sie Religionsfreiheit, Toleranz und gemeinsames, fröhliches Feiern.
Sehr witzig wird die Wüste als Traum-Ort für schräge Touristen-Trupps beworben, eindrucksvoll torpediert von den Horror-Erlebnissen der Geflüchteten. Während sich die jungen Menschen mit den zehn Geboten anfreunden können, lästern sie über die hunderttausend Regeln, die es in Deutschland gibt. „Iss dein Sandwich allein“, frotzelt ein Migrant. Beim umjubelten „Moses“ wird freudig geteilt.
Nächste Vorstellungen
an diesem Samstag sowie am 18., 19. und 20. Dezember; Telefon 089/ 2185-1920.