Andere sind in seinem Alter längst in Rente. Franz Xaver Kroetz, 71, startet noch mal richtig durch. In der neuen Serie „Über Land“, geschrieben und inszeniert von Franz Xaver Bogner, spielt er einen Richter, der aufs Land versetzt wird und damit mäßig glücklich ist. Kroetz selbst dagegen ist, so wirkt’s jedenfalls im Gespräch, mit sich im Reinen und zufrieden – auch wenn ihn seine 30 Jahre jüngere Lebensgefährtin Juliane kürzlich verlassen hat. „So läuft’s halt manchmal…“, sagt er, lacht und eröffnet das Gespräch:
„Herzlich willkommen. Schön, dass Sie da sind!“
-Ich freu’ mich auch.
Gut, denn wir brauchen viel Werbung für unsere Serie. Sie läuft ja im Nachmittagsprogramm an drei verschiedenen Terminen und ist deswegen für manche Medien vielleicht irrevelant. Die berichten halt über Riesenserien von Netflix, wo eine Folge fünf oder zehn Millionen kostet – und jetzt kommen wir mit unserer kleinen, entschleunigten Geschichte daher. Also insofern, bitte schön, fangen wir an. (Lacht.)
-Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich mit so Sachen wie Sendeterminen und Presse-Echo beschäftigen.
Doch doch, ich möchte ja, dass viele Leute einschalten und ich bestenfalls am Morgen nach der Ausstrahlung beim Bäcker angesprochen werde. Das finde ich nämlich schon ganz schön. (Lacht.) Wenn’s keiner schaut, wär’s scheiße. Weil dann ja der Sender sagt: Diese Serie setzen wir nicht fort. Sie hat ja keiner geschaut. Ein Irrsinn!
-Was mögen Sie an Ihrer Serie selbst gerne? Eine Arbeit fürs Fernsehen kommt bei Ihnen ja nicht alle Tage vor.
Ich mag den Bogner einfach sehr, so fängt’s schon mal an. Der ist menschlich integer und künstlerisch auf meiner Linie. Wie Helmut Dietl schreibt auch er schöne Dialoge. Und mir hat gefallen, dass in jeder Folge einige kleine Geschichten erzählt werden. Mord und Totschlag purzeln ja jeden Abend völlig inflationär aus dem Fernsehkasten raus. Bei uns geht’s um den Diebstahl von drei Glühbirnen, um Hühner oder sonst irgendwas. Das mag ich. Das find’ ich süß.
-Und dieser Max Althammer, den Sie spielen, ist ein guter Typ, oder?
Ja, der ist ein komischer Vogel. Er behauptet, dass er zwei Jahre auf Weltreise war, spricht aber kein einziges Wort darüber, was er gesehen und erlebt hat. Das heißt, er ist mit geschlossenen Augen und Ohren durch die Welt gereist. Das hat überhaupt keinen Sinn gehabt.
-Warum ist er überhaupt gefahren?
Wohl schon, um etwas zu suchen. Aber es hat überhaupt nicht gewirkt – wie es bei alten Männern oft ist. Er konnte nichts aufnehmen, kommt zurück und stürzt sich dann wieder in sein Lederjäckchen, das 50 Jahre alt ist, spielt den Altrocker und arbeitet wieder als Richter. Er ist ein aus dem Altersnest gefallener Vogel, der versucht hat, sich auf der Weltreise neu zu erfinden. Aber es hat nicht geklappt. Und nun wackelt er so durch sein Leben.
-Was nicht unsympathisch ist.
Nein, es steckt ja auch viel von mir in der Figur. (Lacht.) Mein Leben beginnt auch so sinnlos zu werden.
-Oh je.
Es ist schon so. Als ich das Drehbuch gelesen habe, da habe ich in dem Max so etwas wie ein Alter Ego gesehen. Und ich habe ihn auch so gespielt, wie ich bin. Diese alte Lederjacke zum Beispiel ist meine. 1971 gekauft in Düsseldorf. Der Ring – auch meiner.
-Und was ist mit dem Wunsch, sich neu zu erfinden? Auch eine Parallele?
Ja klar, man muss sich als älterer Mann schon allein deswegen neu erfinden, weil man mit den alten Gewohnheiten nicht mehr zurechtkommt.
-Ein Beispiel?
Je älter man wird, umso peinlicher wird es, eine Frau anzumachen. Man kann sich lächerlich machen. Das ist der Unterschied zu früher. Früher konnte man sich eigentlich nicht lächerlich machen – wenn man es nicht allzu schlimm angestellt hat. (Lacht.) In meinem Alter heute ist es gefährlich.
-Früher ist ein gutes Stichwort. Fast 25 Jahre ist es her, dass Sie zuletzt mit Franz Xaver Bogner gedreht haben – damals war es „Madame Bäurin“.
Ja, das ist lange her. Aber die Arbeit hat damals wie heute sehr großen Spaß gemacht. Deswegen hab ich mich auch gefreut, als der Bogner bei mir in Pasing am Gartentor stand und mir von „Über Land“ erzählt hat. Am Ende der Dreharbeiten hat er dann zu mir gesagt: „Du weißt schon, dass ich Dich jetzt in der Hand habe?“
-Was meinte er?
Er hat gemeint, wenn er jetzt überall rumerzählt, wie angenehm die Arbeit mit mir war und dass ich ein friedlicher Partner war und in den vier Wochen nicht einen einzigen Wutanfall hatte – dann ist mein Ruf komplett ruiniert, das ganze Image weg. (Lacht.)
-Ihre Wutanfälle sind in der Tat berüchtigt…
Ja, ich hab sie ja auch, gerade beim Drehen. Ich bin ein Berserker, ein Hysterischer, ein Choleriker. Das ist mir in den meisten Fällen dann später auch unangenehm. Man muss dann ja auch alles wieder zurechtrücken und so. Das ist anstrengend. Für alle Beteiligten. Aber in diesem Fall waren wir uns einfach so einig, dass es keine Wutanfälle gebraucht hat.
-Vielleicht werden Sie ja auch langsam milde?
Nein, nein. Das sicher nicht. Das würde gar nicht gehen. Das ist eine Typsache, eine Frage des Temperaments.
-Schreiben Sie denn im Moment an etwas Neuem?
Ja schon. An einem großen, großen, großen Text. Memoiren sind es nicht, das wäre mir zu langweilig. Aber es wird etwas, was auch mit meiner Biografie zu tun hat. Das fällt mir schwer, aber andererseits macht mir das Schreiben nach wie vor Spaß. Ich bin gern Schriftsteller, habe zuletzt Gedichte geschrieben, aber leider keinen Verlag gefunden. Will keiner haben. Kauft ja niemand.
-Frustriert Sie das?
Doch, ja. Das sind Niederschläge. Aber das erlebe ich jetzt schon lange, seit etwa 20 Jahren. Seit dem Jahrtausendwechsel bin ich aus der ersten Riege der Dramatiker ausgestiegen. Da kämpfe ich jetzt am Rande, und das zehrt natürlich an einem. Aber ich steh’ das durch, indem ich mich immer selbst viel lobe und sage: „Franz, Du bist ganz toll!“ (Lacht.) Und indem ich ab und zu eine Fernsehrolle annehme.
-Das Fernsehen als Therapie für den geschundenen Schriftsteller?
So ungefähr. (Lacht.) Ich habe für diese Serie Text lernen müssen, vier Wochen gedreht und wirklich viel Spaß gehabt. Als Schauspieler verdienst du außerdem einen irren Haufen Geld. Du verdienst an einem Tag das, was du als mittlerer Schriftsteller im Monat oder manchmal im Vierteljahr verdienst. Und dann bist du da! Du kommst vor! Du stehst in der Zeitung! Mit wenig Aufwand so viel Aufmerksamkeit. Also diesen Max Althammer würde ich gerne noch zehn Jahre spielen.
Das Gespräch führte Stefanie Thyssen.
Sendetermine:
„Über Land“
läuft an drei Tagen im ZDF – am
31. Dezember (16.30 Uhr),
6. Januar (13.15 Uhr)
4. Februar (16 Uhr).