Ohne politische Agitation ging es nicht: Auf Flugblättern, die unter anderem auf der Toilette auslagen, wurde Gustavo Dudamel seine Nähe zur einstigen Chavez-Regierung und sein Schweigen zu den Missständen in Venezuela angekreidet. Ob der Verfasser die kritischen Äußerungen des Stardirigenten zu Staatschef Nicolas Maduro überhört hat?
Im Saal der Münchner Philharmonie gab es keine weiteren Aktionen, hier regierte Johannes Brahms. Dudamel wählte ganz zeitgemäß eine schlanke Herangehensweise ohne romantische Aufladung. Dies passte vorzüglich zu den Variationen über ein Haydn-Thema, denn durch klare Musizierweise kam die nach wie vor maßstabsetzende Klangkultur der Wiener Philharmoniker voll zu Geltung. Wie ein Körper agiert dieses Orchester, bruchlos in Tempowechseln und Fugen, jedes Rädchen greift ins andere. Dudamel vertraut diesen Vorzügen blind, legt die Strukturen der Variationen frei und hält sich mit zusätzlicher Interpretation bedeckt. Der einstige Feuerkopf scheint um ein seriöseres Image bemüht zu sein. Eine Weiterentwicklung, die richtig ist.
Doch etwas mehr Humor hätte es für die Akademische Festouvertüre zu Beginn schon sein dürfen, die arg philisterhaft daherkam. In der ersten Symphonie dann verschwamm bei Dudamel die Grenze zwischen Zurückhaltung und Passivität. Freilich muss es nicht immer der Klangrausch sein, aber dem dritten Satz hätte etwas mehr Süße und drängendes Schwelgen gutgetan. Doch Dudamel behandelt dem Notentext nicht so konsequent wie etwa Kirill Petrenko und unterstellt dadurch seine eigene Interpretation streng dem Willen des Komponisten. So wirken die Wiener Philharmoniker etwas allein gelassen, womit sie selbstverständlich umgehen können wie beispielsweise das Andante mit formidablen Solistenleistungen eindrucksvoll zeigt. Dennoch ist es schade, dass vom Pult nicht mehr Inspiration kam. Etwas vom Esprit und Feuer der zweiten Zugabe, „Winterlust“ von Josef Strauss, hätte auch Brahms gut gestanden.