#MeToo bei den Nibelungen

von Redaktion

Die Wiederaufnahme des „Rings“ ist an der Staatsoper mit „Götterdämmerung“ abgeschlossen

Von Anna Schürmer

Vor dem Feuer, das Brünnhilde am Ende des dritten Tages von Richard Wagners Bühnenfestspiel verzehrt, wird ihre Interpretin in der Bayerischen Staatsoper von einer Erkältung gebeutelt. Doch Nina Stemme singt den Part der Inbrünstigen ohne erkennbare Schwäche – „Der Ring des Nibelungen“ bietet Stoff für Heldinnen.

Im Vorspiel von Andreas Kriegenburgs „Götterdämmerungs“-Inszenierung rahmen große Split-Screens eine mit Brettern stilisierte Guckkastenbühne. Katastrophenmeldungen laufen ab, während die drei weiß gewandeten Nornen schicksalsschwer vom nur zu aktuellen Weltenbrand künden, bevor der Spot auf die Schöne und ihren Helden gerichtet wird. Siegfried, der von Stefan Vinke mit juveniler Sangeskraft belebt wird, bevor ihn Verrat ins Verderben treibt. Der unfrohe Hagen – massiv verkörpert von Hans-Peter König – will nichts als seinen Schatz, den Ring. Der Alberich-Sohn manipuliert als böser Trickster seine Halbgeschwister Gunther (elegant larmoyant: Markus Eiche) und Gutrune (trashig bis tragisch: Anna Gabler), die in maßloser Dekadenz nichts weniger als die Schönste und den Heroen begehren. Der wird durch List zum Verräter und Verratenen. Das Schicksal können auch Okka von der Damerau als Walküre Waltraute und die perlend parlierenden Rheintöchter nicht aufhalten, aber sie setzen musikalische Akzente wie, allen voran, Kirill Petrenko am Dirigentenpult. Blind folgt ihm sein Bayerisches Staatsorchester; das Publikum feiert ihn wie einen schon verlorenen Sohn.

Die Inszenierung weist zielgenau auf die Aktualität des Stoffes. Auf drei gläsern gefassten Stockwerken treten Chor und Statisten in grauen Anzügen in der kapitalistischen Mühle, während Gutrune auf einem Euro-Zeichen reitet und Gunther die Dienstmädchen belästigt – #MeToo reicht bis zu den Nibelungen. Andreas Kriegenburgs „Götterdämmerung“ zeigt, was die Welt im Innersten auseinandertreibt: Wahrheiten sind komplex, Missgunst und Fake-News zeitlos; die Maximierung des Gewinns ist der heilige Gral, der Ring nur Symbol für die sich um sich selbst drehende Welt. Das mühsam erbaute Walhall brennt, und die Götter sind tot – ihre Dämmerung im Nationaltheater ist schön wie Morgenrot, Schlechtwetterbot’.

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