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von Redaktion

„Bravo Hits“ versammelt seit 1992 die jeweils aktuellen Hitparaden-Songs auf CD – heute erscheint die 100. Ausgabe

von aleksandra Bakmaz

Ja, es gibt sie noch: Die „Bravo Hits“ behauptet sich seit Jahrzehnten als eine der erfolgreichsten CD-Reihen im Land. Auf der vierteljährlich erscheinenden Doppel-CD landen die aktuellen Hitparadenstürmer. Die erste Ausgabe erschien am 21. April 1992 – mit Erfolgen wie „Das Boot“ von U 96 und „It’s my Life“ von Dr. Alban. Mehr als 25 Jahre später feiert die Compilation, die zur Markenfamilie der Jugendzeitschrift „Bravo“ gehört, nun Jubiläum: Heute kommt die „Bravo Hits 100“ auf den Markt.

Das Konzept hat sich nicht geändert. Hits von angesagten Künstlern sollen junge Käufer an die CD-Regale locken. Auf der 100. Ausgabe sind es hippe Nummer-eins-Songs wie „Perfect“ von Ed Sheeran oder „Him&I“ von Rapper G-Eazy mit Sängerin Halsey. Doch dass das Geschäft in Zeiten von Streamingdiensten wie Spotify schwieriger wird, weiß auch Thorsten Tutzeck. Er ist einer der „Bravo Hits“-Verantwortlichen bei der Plattenfirma Sony, die die Reihe zusammen mit den Konkurrenten Universal Music und Warner Music sowie der „Bravo“ herausbringt. „Die Herausforderung liegt im erfolgreichen Übertragen der Marke in die Streaming-Welt“, ist sich Tutzeck sicher.

Thomas Schenk, Erfinder der „Bravo Hits“, hatte in den Neunzigerjahren mit anderen Herausforderungen zu kämpfen. Er sollte für Warner eine Hit-Compilation erarbeiten. Die Konkurrenz war mit ihren Produkten schon erfolgreich auf dem Markt. Schenks Idee: Eine jugendgerechte Compilation und eine erfolgreiche Jugendmarke – die Zeitschrift „Bravo“ – miteinander zu verbinden. Eine glückliche Fügung, wie sich herausstellen sollte.

Die Platte sei richtig eingeschlagen, erinnert sich der 68-Jährige, der mittlerweile in Rente ist. Läden hätten früher geöffnet, damit Kinder noch vor der Schule ein Exemplar der aktullen „Bravo Hits“ kaufen konnten. „Sie war damals ein Objekt der Begierde“, sagt Schenk. Es sei manchmal nicht darum gegangen, dass man eine „Bravo Hits“ hat, sondern wie schnell man sie hat.

Vom Erfolg der Reihe, die es 2001 sogar als erfolgreichste der Welt ins „Guinness Buch der Rekorde“ schaffte, sei er nicht überrascht gewesen. „Wir sind damals mit sehr viel Elan und sehr viel Liebe an die Sache rangegangen, haben viel Mühe ins Marketing gesteckt.“ Das bunte Cover sollte immer auch ein Stück Zeitgeist sein, ein bisschen Popkultur widerspiegeln. „Dass es 25 Jahre danach immer noch einen Hype um die ,Bravo Hits‘ gibt, ist das, was mich mehr verwundert“, resümiert Schenk. Radiosender, Fernsehteams, Zeitungen – Interviewanfragen habe er in diesen Tagen reichlich.

Die meistverkaufte „Bravo Hits“ war die Nummer 26 mit Liedern von Britney Spears, den Backstreet Boys und der Sängerin Loona aus dem Jahr 1999. Knapp zwei Millionen Exemplare gingen über die Ladentheke. In den offiziellen deutschen Compilation-Charts sind die Veröffentlichungen seit Jahren eine feste Größe. Zusammengerechnet sind die „Bravo Hits“ 1915 Wochen in den Hitparaden platziert gewesen – und standen 582 Mal ganz oben.

Doch wie wird entschieden, welcher Hit auf CD landet? Die Auswahl folge im Grunde einem einfachen System, erklärt Schenk. Ein Team schaue auf die Platzierungen der Singles in den Charts und überlege, welche Aufstiegschancen ein Song habe. Zudem suche man nach vielversprechenden Neuveröffentlichungen und berücksichtige bevorstehende Tourneen. „Es geht auch um die Radiopräsenz und den Namen des Künstlers. Große Namen wie Madonna hat man immer auf die ,Bravo Hits‘ genommen.“ Von der Zusammenstellung der Hits bis zur Veröffentlichung der Compilation vergehen in der Regel sechs Wochen.

Doch nicht alle Titel, die zu seiner Zeit auf der Wunschliste gewesen seien, habe man bekommen, verrät Schenk. Verhandlungsgeschick mit den Plattenfirmen der Künstler war gefragt. „Da ging es teils zu wie auf einem türkischen Basar.“ Nicht jeder Plattenboss sei bereit gewesen, Hits zur Verfügung zu stellen, weil das den Verkauf der eigenen Veröffentlichung hätte schwächen können. „Die größte Arbeit war also, die Hits zu bekommen.“

Auch heute kümmert sich ein Kreativteam um die Umsetzung der „Bravo Hits“. Alle vier Partner haben ein Mitspracherecht und lassen Expertise einfließen – „und auch viel Herzblut“, sagt Tutzeck von Sony: „,Bravo Hits‘ ist eine Art Familienprodukt.“ Ein Ende der Reihe sei keinesfalls in Sicht. „Die Bravo-Reihe einzustellen, wäre in etwa so, als würde man Bayern München aus der Fußball-Bundesliga werfen“, scherzt der Musik-Experte. Solange es gelinge, die Zielgruppe zu begeistern, werde es die „Bravo Hits“ geben – digital und analog.

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