Vor rund zehn Tagen gastierte Golda Schultz noch in der Londoner Wigmore Hall, dem Mekka des Liedgesangs. Jetzt ist sie sich nicht zu schade, ihr Programm auch im Wernicke-Saal, sonst vor allem Probenraum der Bayerischen Staatsoper, beim Ensemble-Liederabend zu präsentieren.
Henning Ruhe, der Leiter des Opernstudios, sitzt persönlich am Flügel und erwischt bei pianistisch sehr anspruchsvollen Werken die richtige Mischung aus eigener Gestaltung und umsichtigem Begleiten. Aber wie könnte man auch anders, als Golda Schultz den rotesten, herrlichsten Teppich auszubreiten? Einst war sie die Perle des Opernstudios, mittlerweile singt sie an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt. Schon in Mozarts „An Chloë“ ist schnell klar, warum. Das Timbre verströmt sich in Wärme und Menschlichkeit. Technisch kennt sie keine Probleme. In allen Lagen und ohne Bruch in den Registern springt die Stimme mühelos an. Auch dramatische Passagen, beispielsweise in „Suleika“ von Franz Schubert, sind aus einem Guss. Kleinere Unebenheiten mit dem vertrackten Deutsch wird sie sicher optimieren.
Ihr Vortrag ist grundsätzlich sehr lebendig, sie will sich unbedingt mitteilen und, wie in „Heimliches Lieben“, von Emotionen erzählen. Und Golda Schultz hat etwas mitzuteilen, sie erreicht die Menschen – unmittelbar und sofort. Sie scheint einen Einblick in ihr Inneres zu geben, sodass durch ihr Singen eine Schönheit der Seele durchstrahlt.
Das kann man nicht lernen, nur die größten Künstler haben das. Und solchen gelingen Momente der Überrumpelung, wie Schultz in „Three Browning Songs“ von Amy Beach. Fantastisch, welch sprudelnde, leuchtende Energie und blühende Spitzentöne sie diesen Liedern verleiht, die so ziemlich alle Gemütszustände beinhalten.
„Cantata“ des Jazzers John Carter wird dann zum Bekenntnis. Wie ein alttestamentarischer Prophet schleudert Schultz „Peter go ring dem Bells“ in die Zuhörerschaft, sich dem zu entziehen ist nicht möglich. Was würde man nicht alles noch gerne von ihr hören! Strauss, Wolff, aber auch Gospels und Standards. Die Zugaben „My funny Valentine“ und „Somewhere over the Rainbow“ geben einen Vorgeschmack, der Lust auf mehr macht.