Eine Menge alte Bekannte bestimmen bisher das Wettbewerbsprogramm der Berlinale 2018. Den Auftakt bildete Wes Anderson, der schon seine Filme „The Royal Tenenbaums“, „Die Tiefseetaucher“ und zuletzt 2014 „Grand Budapest Hotel“ im Rahmen der Berliner Filmfestspiele uraufführen durfte und längst zum inneren Kreis von Direktor Dieter Kosslick zählt. Aber dieses renommierte Festival mit einem Animationsfilm voller sprechender Hunde eröffnen? So viel Mut hätte man Kosslick angesichts seiner vergangenen Spielzeiten gar nicht mehr zugetraut.
Doch „Isle of Dogs“ ist unbedingt einen Blick wert und sei ausdrücklich auch allen Nicht-Animations-Fans ans Herz gelegt (deutscher Kinostart: 18. Mai). Andersons dystopisches Fantasie-Japan zeigt eine öde Landschaft, bevölkert von miesen Bürgermeistern, zotteligen Hunden und einem mutigen Buben. Im Gegensatz zu Andersons früheren Arbeiten wirkt „Isle of Dogs“ zwar so skurril wie eh und je, aber nicht mehr wie die – zugegeben immer intelligente – Fantasie eines durchgeknallten und farbenblinden Ausstatters. Es scheint so, als sei Anderson ein wenig erwachsener und ernsthafter geworden, ohne dabei seinen Charme zu verlieren.
Der nächste alte Bekannte, Christian Petzold, war schon mit „Wolfsburg“, „Gespenster“, „Yella“ und „Barbara“ bei der Berlinale zu Gast. In seiner Fassung von Anna Seghers’ „Transit“ (ab 5. April im Kino) verlegt er ein Flüchtlingsdrama, das im Marseille der Vierzigerjahre angesiedelt ist, in die Gegenwart. Zumindest teilweise. Das eröffnet eine überraschende Zeitlosigkeit, in der sich alle beladenen, verwirrten und enttäuschten Seelen des Romans befinden. Anfangs sorgt es für gewisse Irritationen, wenn moderne Krankenwagen und Polizeiautos vor den Cafés auffahren und die Missliebigen einsammeln, die sich mit alten Pässen und Transitscheinen beschäftigen. Später birgt der Regie-Einfall auch einige clevere Überraschungen.
Aber letztlich ist der Kniff überflüssig. Seghers’ Figuren brauchen keine aktualisierenden Geschmacksverstärker, um heute noch verstanden zu werden. Darauf schien Petzold während der Dreharbeiten nicht vertrauen zu wollen. Ungewohnt häufig wiederholt er sich, ungewohnt hektisch wirkt gelegentlich der Rhythmus. Auch sonst wagt Petzold einen Neuanfang, so scheint es: Mit Paula Beer („Frantz“) und Franz Rogowski („Love Steaks“) hat er sich in „Transit“ zumindest für die Hauptrollen von seinen Stammschauspielern gelöst. Matthias Brandt oder Barbara Auer sind nur noch in kleinen Nebenrollen zu sehen.
Benoît Jacquot ist wie Petzold ebenfalls kein Berlin-Neuling mehr, sondern beehrt das Festival mit regelmäßigen Stippvisiten. Zuletzt lief vor drei Jahren sein „Tagebuch einer Kammerzofe“ im Wettbewerb, davor 2012 „Lebe wohl, meine Könign!“. Diesmal hat sich der Spezialist der gediegenen Literaturadaption für seine Umsetzung aber keinen historischen Stoff vorgenommen, sondern den Femme-Fatale-Roman „Eva“, ein eher zeitlos anmutendes Buch des Briten James Hadley.
Das hat Joseph Losey schon 1962 einmal mit Jeanne Moreau und Stanley Baker umgesetzt. Jacquots Interpretation setzt deutlich andere Akzente. Die Handlung in seiner „Eva“-Version ist stark auf den Möchtegern-Schriftsteller und Gelegenheits-Callboy Bertrand (Gaspard Ulliel) und die Edelprostituierte Eva (Isabelle Huppert) zugeschnitten. Huppert und auch Ulliel sieht man normalerweise auch in weitgehend inhaltsleeren Filmen gerne bei der Arbeit zu. Diesmal allerdings ist der Plot so zäh, akzentlos und altbacken, dass man sich nicht erst angesichts des langweiligen Endes verwundert fragt, wie es diese Produktion in den Wettbewerb schaffen konnte.
Diese Frage stellt sich bei „Damsel“, der schrulligen Western-Farce von den Brüdern David und Nathan Zellner, dagegen gar nicht. Mit Mia Wasikowska („Jane Eyre“) und Robert Pattinson („Twilight“) in den Hauptrollen verfügt „Damsel“ über die für ein Festival nötige Starpower. Dank der zwei Brüder, die für Skript und Inszenierung zuständig waren und noch in Nebenrollen zu sehen sind, gibt es aber auch eine Ladung Frische, Mut, schrägen Humor und sehr viel Originalität. Erfahrene Flintenweiber gab es im Western schon viele – aber noch nie so wunderbar weinerliche Kerle.