Zur Untermiete beim Malerfürsten

von Redaktion

Der Gold- und Silberschmied Rudolf Bott inszeniert sich in der Villa Stuck selbst

von teresa grenzmann

Eine faszinierende Frechheit erfüllt derzeit den Westflügel der Villa Stuck. Dort hat sich ein Gold- und Silberschmied in die Gemächer Franz von Stucks eingemietet und seine eigenen Möbel gleich mitgebracht. Ohne Vorwarnung, nur mit einem unhandlichen, eng bedruckten Faltblatt in der Hand betritt der Besucher die historischen Räume – und verliert spontan die Kontrolle über seine Betrachtergewohnheiten. Denn was er sieht, hätte ein Kurator nur mit sehr viel Mut gewagt: eine Ausstellungsarchitektur, die derart zweckfrei alles dominiert, dass sie selbst zum Objekt wird. Die einerseits vermittelt zwischen Raum und Exponat, andererseits deren Kontrast erst forciert.

Die Rede ist von der hinreißend unbescheidenen Selbstinszenierung des Künstlers Rudolf Bott in seiner Werkschau „Enduro“. Riesige Podeste aus hellem Holz bilden die Basis für Tischkonstrukte und Stuhlrudimente. Wie in der Bewegung ihrer Nutzung erstarrt, greifen diese die Funktionen der Stuck’schen Räume auf (die Speisetafel, den Schreibtisch), überschwemmen gleichzeitig das Gesamtkunstwerk des einen mit dem Gesamtkunstwerk des anderen und halten obendrein den Betrachter auf Distanz. Nur wer absolut von der Kraft seines Bildes überzeugt ist, traut sich einen solchen Rahmen.

Tatsächlich hat Bott (geboren 1956), der als Juwelengold- und Silberschmiedemeister von 1983 bis 1989 an der Münchner Akademie der Bildenden Künste bei Hermann Jünger studierte, die Schau von langer Hand für diese Räume inklusive Garten geplant. Eine einzelne glänzende Halskette – maximal inszeniert vor einem Spiegel im seinerseits blitzenden Musiksalon – repräsentiert den Schmuckkünstler.

Der Fokus liegt indes auf dem Gerät und zeigt einen Kunsthandwerker im Dialog zwischen Funktionalität und Design, Materialstudie und Wirkung. Vollendet geschliffene Dosen aus Jaspis, Hämatit, Bergkristall ziehen den Blick gleichermaßen auf sich wie die scheinbare Naturbelassenheit bis archaische Anmutung von Gefäßen aus ungeschliffenem Silber, aus Bronze oder Stahl. Ästhetisch formschöne Kaffeekannen und „T-Dosen“ aus hohl montiertem Silber fordern eine sinnliche Gebrauchserfahrung heraus; kunstvoll balancieren mächtige Tombak-Leuchter ihre geometrischen Versatzstücke. Neue Arbeiten von 2017 variieren das Thema eines hohen Stahlgefäßes bis in den Kunststoff des 3D-Drucks. Und im Nebeneinander mit Botts ungemein präzisen 1:1-Papiermodellen erliegt der Betrachter immer wieder der optischen Täuschung des unfunktionalen Materials.

Ein Laufsteg führt zu Franz von Stucks „Wächter des Paradieses“, der barfuß über den Rauchsalon regiert. Darauf zwei silberne Fußschalen (2005) in derselben Haltung – Abgüsse von Botts eigenen Füßen, wie man im Katalog (45 Euro) erfährt. Der vermittelt einen tiefen Eindruck von Denken, Arbeiten und „Spüren“ Botts und ist eigentlich ein Künstlerbuch. Passend zu seiner extrovertierten Werkstatt-Aufmachung mit offenem Papier und Fadenheftung, begegnen wir darin einem versierten Vermittler angewandter Kunst als Lebens-Werk: in Aufsätzen, Fotos, Reden, vor allem aber auch in aphorismenhaften Aussagen, aus denen klar wird, wie sehr der Handwerker Bott mit seinem Werk und Wirken verschmilzt. „Seine Hände“, beschreibt Sohn Konrad Bott, „sind rau wie die Oberfläche der gegossenen Schalen“.

Bis 13. Mai,

Di.-So. 11-18 Uhr,

am 6. April und 4. Mai bis 22 Uhr; weitere Informationen gibt es im Internet unter www.villastuck.de.

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