Der Über-Schock! Bei der Geburtstagsfeier zu seinem 60. verkündet Paul Burdick der Gästeschar, dass er, der Chirurg, noch mal neu anfangen will – mit einer neuen Frau, einer halb so alten Krankenschwester. Ja, ja, das altbekannte Macho-Heilpflaster für die Midlife-Krise. Egal, ob seine 30 Ehejahre treue Patricia wie ein Herbstblatt einsam dahinwelkt. Aber, Halleluja!, heute gilt „Was dem einen recht ist“, wie Donald R. Wilde es im sanft-weiblich rebellischen Stück klarstellt. Pascal Breuer hat leichthändig inszeniert, die Crew – bekannte Gesichter von Bühne und Fernsehen – spielt mit hinreißend komödiantischem Charme. Also hin in die Münchner Komödie im Bayerischen Hof!
Prinzipal Thomas Pekny hat ausgestattet. Sein modern lichter Salon wird gleich belebt, wenn Franziska Traub als Patricias Freundin Geraldine sich zwischen Sofa und Sesseln hin- und herbewegt. Alles an ihrer molligen Figur tanzt. Und wie sie sich selbstironisch als ungewollter Dauer-Single auf den Arm nimmt, wie sie Patricia tröstet, sie verschmitzt zu neuer Beziehung ermutigt, das wird zum Pulsschlag der Inszenierung.
Breuer, seit Jahren Stamm-Schauspieler des Hauses, beweist ein gutes Besetzungsgespür: Wer könnte als Patricia überzeugender sein als Saskia Vester? Sie schwebt ja immer in dieser Aura der Verwunderung, der Neuentdeckung der Realität. Und hier bei Stephen, der als Begleiter ihrer Tochter hereinschneit, tastet sie sich zweifelnd und zugleich hoffnungsvoll vor zu dem unerwarteten Gefühl: sich wieder lebendig, vielleicht sogar verliebt zu fühlen. Wilde, 2015 verstorben, ein Rundumtalent zwischen kreativer Werbetätigkeit und Theater, liebte Menschen. Und das drückt sich hier aus: Wie sich die Vester und David Paryla (Nikolaus Parylas Sohn glänzt in der Rolle des 20 Jahre jüngeren Stephen) begegnen, das ist, weit über die Komödie hinaus, etwas ganz Ernstes. Inmitten der Empörung des Ex-Ehemannes und des Eifersuchts-Aufstands der Tochter über Patricias „Fehlverhalten“ ist diese sich anbahnende Beziehung eine ganz reale Herzensgeschichte. Und ist auch genau so, ganz natürlich, ganz ohne Gefühlskitsch, gespielt. Dass solche Verbindungen möglich sind, beweist gerade Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der seine ehemalige Lehrerin heiratete, die 24 Jahre älter ist.
Vielleicht ist das Erfolgsrezept des Abends die feine Mischung aus ernster gesellschaftskritischer Reflexion und Humor, sicher auch das harmonische Zusammenspiel der Darsteller: Norbert Heckner als sich zunächst infrage stellender, letztlich reuiger Ehemann; Tereza Rizos als Patricias Tochter Donna; Sina Bianca Hentschel als Zugehfrau Helen. Pascal Breuer, an dessen Regie-Debüt mit Christopher Durangs „Gebrüllt vor Lachen“ im längst nicht mehr existierenden Münchner Theater 44 man sich erinnert, hat einen weiten Weg zurückgelegt. Er motiviert seine Darsteller, das ist spürbar. Er kann Texte auf heutigen Sprachgebrauch hinjustieren. Und er versteht es, einen durchgehenden Spiel-Rhythmus einzuhalten. Dafür erhält er von uns einen Bayerischen Oscar.
Weitere Vorstellungen
bis 22. April; Telefon 089/ 29 16 16 33.