Ihr zweiter Spielfilm ist nichts für schwache Nerven. Die 1976 geborene Iram Haq erzählt darin die Geschichte einer jungen Frau, die durch die Hölle geht. „Was werden die Leute sagen“ ist ab Donnerstag im Kino zu sehen. Wir sprachen vorab mit der norwegisch-pakistanischen Filmregisseurin und Schauspielerin.
-Der Film ist von Ihrer eigenen, sehr harten Lebensgeschichte inspiriert. War es schwer, damit an die Öffentlichkeit zu gehen?
Ich wurde von meinem Vater nach Pakistan verschleppt, als ich 14 war, und lebte mehr als ein Jahr dort. Als ich zurückkam, wusste ich, dass ich diese Geschichte erzählen wollte. Aber ich wusste nicht, wann und wie. Ich brauchte mehr Mut. 2014 entschied ich dann, diesen Film zu machen. Aber ich rang mit dem Drehbuch, weil ich voller Wut auf meinen Vater daran schrieb. Ich kam nicht weiter. Dann wurde mein Vater sehr krank, er hatte Krebs, und ich besuchte ihn im Krankenhaus. Er entschuldigte sich für alles. Je tiefer unser Verhältnis wurde, desto einfach wurde es für mich, die Geschichte zu erzählen. Es sollte ja auch keine Schwarz-Weiß-Geschichte sein.
-Können Sie Verständnis für das Handeln der Eltern im Film aufbringen?
Jeder in Nishas Familie ist gefangen. Sie sind gefangen in der Meinung anderer. Sie haben Angst, Außenseiter zu sein. Als Pakistani sind sie ja bereits Außenseiter in der norwegischen Gesellschaft. Noch mehr Angst haben sie daher, auch noch von der pakistanischen Gemeinde ausgeschlossen zu werden, wenn sie nicht deren Normen folgen. Ich verstehe den Druck, unter dem sie stehen. Und ich sehe die Liebe des Vaters. Natürlich tut er viel Falsches. Er ist voller Angst. Aber ich kann nachvollziehen, dass er befürchtet, sein Kind an etwas, das er nicht kennt, zu verlieren.
-Die Protagonistin Nisha hat mehrmals die Chance, sich in ihrer Not den Behörden anzuvertrauen. Doch sie tut es nicht. Für den Zuschauer ist das schwer zu verstehen, es ist eine Zerreißprobe.
Kinder sind gegenüber ihren Eltern sehr loyal. Nisha versucht, sich selbst zu retten und ihre Eltern zu schützen. Sie steht unter großer Anspannung. Kurz davor kommt ja ihre Mutter zu ihr und setzt sie psychologisch unter Druck, was sie sagen und nicht sagen soll, wenn sie beim Amt ist.
-„Was werden die Leute sagen?“: Wann wurde Ihnen selbst klar, dass dieser Gedanke wirklich Unsinn ist?
Na ja, ich verließ meine Familie als 16-jähriges Mädchen. Ich entschied mich für ein anderes Leben und bekämpfte ein solches Denken. Natürlich bin ich immer noch von der Einschätzung anderer abhängig, aber nicht in dem Maße wie Nishas Familie. Ich versuche, den Fehler zu vermeiden, so sehr auf die Meinung der andern zu achten, dass ich mich dabei selbst vergesse oder mein eigenes Kind. Es ist wichtiger, mein Leben für mich selbst zu leben als für fremde Leute.
-Die Geschichte ist unerträglich hart, die Bilder, vor allem von Pakistan, sind wunderschön. Wollten Sie damit einen Kontrast schaffen?
Sicher gibt das einen Kontrast. Es geschieht außerdem, um zu zeigen, dass Pakistan andere Seiten hat. Es kann wunderschön sein. Das gesellschaftliche Problem des Films gibt es ja nicht nur in Pakistan, sondern auch in anderen konservativen Gesellschaften. Es hat nichts mit der Schönheit oder der Hässlichkeit des Ortes zu tun.
-Warum haben Sie die pakistanischen Szenen nicht dort, sondern in Indien gedreht?
Ein Grund war, dass ich nach meiner Entführung traumatisiert war und nicht zurück nach Pakistan gehen wollte. Darüber hinaus hatten wir gute Beziehungen zu indischen Filmgesellschaften. Die Inder drehen andauernd Filme. Und es sieht dort fast so aus wie in Pakistan.
-Würden Sie Ihren Film ein feministisches Werk nennen?
Auf gewisse Weise. Es ist eine Geschichte über eine junge Frau, die Kontrolle über ihre Sexualität erlangen will. Ja, ich bin Feministin. Und ich will Mädchen, die keine Stimme haben, eine geben, sodass die Menschen sehen können, was sie durchmachen.
-In Deutschland ist es nicht einfach, Feministin zu sein. Ist es in Skandinavien leichter?
In Norwegen oder Schweden ist man dumm, wenn man keine Feministin ist. Viele Menschen sind dort Feministen und kämpfen für Gleichberechtigung.
Das Gespräch führte Katrin Hildebrand.