Der Anarchist im kolossalen Betrieb

von Redaktion

Der Zeichner Jan Bachmann stellt seinen Erich-Mühsam-Comic morgen in München vor

Poet und Politiker, Liebhaber und Lebemann, Anarchist und armer Schlucker: Erich Mühsam, 1878 in Berlin geboren und 1934 im KZ Oranienburg ermordet, war 1919 maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt. Seit 2011 gibt der Verbrecher Verlag die Tagebücher, die der Publizist von 1910 bis 1924 führte, als historisch-kritische Ausgabe heraus. Den ersten Band nutzte der Schweizer Zeichner Jan Bachmann als Basis des wunderbar vogelwilden Comics „Mühsam, Anarchist in Anführungszeichen“. Die Erzähltexte sind verbürgt; Dialoge und Situationen hat der 1986 in Basel geborene Künstler „nach Lust und Laune“ erfunden. Gut so, denn durch die erzählerische Freiheit dreht Bachmann an der Dramaturgie-Schraube.

Von Geldsorgen geplagt („Wenn nur mein Vater bald genug stirbt!“) reist Mühsam in ein Schweizer Sanatorium. Bald zieht’s ihn nach Aeschi zu Johannes („Wir wurden sehr innig miteinander.“), bevor er im September 1910 in München ankommt. Bachmann folgt seinem Protagonisten auf die Wiesn („Ein kolossaler Betrieb!“) und lässt ihn in Buchhandlungen nach seinen Werken suchen.

Mühsams Alltag spiegelt sich in den Zeichnungen, deren Stil an Joann Sfar („Die Katze des Rabbiners“) erinnert: Bachmanns Strich ist kräftig, wirkt aber so haltlos und unstet wie das Leben des Porträtierten; kräftige Farben setzen Akzente. Gerade diese Vereinfachung berichtet von der Dringlichkeit in Mühsams Leben. michael schleicher

Jan Bachmann:

„Mühsam, Anarchist in Anführungsstrichen“. Edition Moderne, Zürich, 96 Seiten; 19 Euro.

Lesung: Bachmann stellt sein Buch morgen, 20 Uhr, im Münchner Literaturhaus vor; zudem sind Lucy Fricke und Mareike Fallwickl Gäste beim „Frühlings-Mix“. Karten gibt es unter 089/ 29 19 34 27.

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