Duftendes Denkmal für Bienen

von Redaktion

So schön wie nie präsentiert sich der vierte Auftritt der Ausstellungsreihe „Königsklasse“ auf Herrenchiemsee

Von Simone Dattenberger

Eine Ausstellung ist etwas für die Augen. Wenn die Besucher des Neuen Schlosses auf Herrenchiemsee jedoch „Königsklasse IV“ betreten, ist es erst einmal der Duft, der sie betört. Er ist die zauberhafte Verbindung zum Inselpark rund um Ludwigs II. Hommage an den Sonnenkönig Ludwig XIV. Denn draußen duften die Wiesenblumen. Und sie sind es, die die Parfümeurinnen nähren, die für den Duft innen verantwortlich sind: Den Auftakt der Schau markieren diesmal zwei Wände, die wie Schnitte durch eine Treppenpyramide wirken. Wolfgang Laib, der bei „Königsklasse III“ mit seiner Blütenstaub-Installation brillierte – jetzt in der Münchner Pinakothek der Moderne (PDM) –, hat nämlich für „Ohne Anfang und ohne Ende“ tausend Kilogramm Bienenwachs verbaut. Und er hat damit unwillentlich den (aus-)sterbenden Insekten ein Denkmal errichtet. Es konnte zum Glück von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen erworben werden.

Diese eigentlich zeitlose Kunst ist hochaktuell. Sie greift die uralte Technik und Ästhetik des Bauens (Ziegel) und die uralte Landwirtschaftstechnik der Bienenzucht und -nutzung auf. Dabei korrespondiert gerade das architektonische Element beeindruckend mit den rohen Ziegelmauern der Schlosssäle, die nie ausgestattet wurden. Derartige Korrespondenzen sind Kuratorin Corinna Thierolf, Mutter der „Königsklasse“-Reihe und in der PDM Hauptkonservatorin Kunst ab 1945, wichtig. Deswegen akzentuiert sie nicht nur die jeweiligen Durchblicke von Saal zu Saal, sondern überlegt genau, welches Künstler-Ensemble und welche Werke sie für Herrenchiemsee zusammenstellt.

Die Ausstellung heuer ist die bisher schönste. Hatte Thierolf anfangs nur bekannte Namen zwischen Beuys und Warhol aufgeboten, ist sie dann dazu übergegangen, auch Entdeckungen einzuschmuggeln. Das lohnt sich für die Besucher des Schlosses und für die der PDM – wenn Arbeiten angekauft werden können. Die Hauptkonservatorin denkt strategisch und langfristig. Handlungsweisen, die für die Staatsgemäldesammlungen überlebensnotwendig sind.

So setzt sie zum Beispiel neben Laibs Urform die Urform des Kreuzes, mit der sich Arnulf Rainer seit den Sechzigerjahren in seinen oft schwarzen Übermalungen beschäftigt hat. Schon wieder so eine überraschende, ungeplante Aktualität. Die malerischen Erforschungen führt Jean-Michel Basquiat in seinen von Graffiti inspirierten Gemälden fort (Leihgaben), die ebenfalls gespickt sind mit Bezügen zur Kulturtradition. Danach sorgt die Kuratorin wieder für Abkühlung mit einer herausragenden Gruppe von sieben fast quadratischen schwarzen Bildern von Günther Förg. Er lockert das Dunkel lässig mit weißen Kreidestrichquadraten auf – wie es Gefangene in ihrer Zelle tun. Zugleich treten die Linien in einen klugen Dialog mit dem Graffiti-Stil Basquiats.

Auch im anderen Geschoss der Präsentation bleibt der Rhythmus von Ruhe und Turbulenz erhalten. Wobei Ruhe? Dan Flavins raffiniert gestaffelten Leuchtstoff-Zaun, den wir in der PDM oft betrachtet haben, erkennen wir in dem roten Backsteinsaal nicht wieder. Er wirkt komplett anders, das Grün ist fast verschwunden. Schlagender Beweis, dass der umgebende Raum notwendig zum Kunstwerk gehört. Hier wird Minimalismus zur Monumentalität. Verspielter, wenn auch recht wild zeigen sich Kazuo Shiraga, der die japanische Pinselmalerei schon in den Fünfzigern revolutionär zerstörte, und John Chamberlain, der Straßenkreuzer-Chrom in Knautsch-Falten legte. On Kawara und Andy Warhol sind in dieser Truppe die seriösen Herren. Der Japaner gibt mit seinen puren Datums-Bildern knappe Assoziationsanstöße. Was war am 17.6.1990? Und der US-Amerikaner – immer in „Königsklasse“ dabei – darf sich dieses Mal mit Hammer, Sichel und der Kunst des Stilllebens vergnügen.

Neben diesen Höchst-Etablierten überzeugen die Außenseiter Louis Soutter (Tänzer) und vor allem Hans-Jörg Georgi. In einem ovalen Raum – ursprünglich für die Küche gedacht – segeln seine fantasievollen Flugzeugmodelle durch die Lüfte, mal mit Gespenst, mal mit Kirchenschiff am und im Bauch.

Von morgen bis 3. Oktober

sowie im kommenden Jahr,

täglich 9-18 Uhr;

Eintritt mit Schlossführung 11 Euro, nur für die Ausstellung: 6 Euro.

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