Mit Filmen wie „King Arthur“ oder „Die glorreichen Sieben“ hat sich Antoine Fuqua als einer der erfolgreichsten Actionfilm-Regisseure in Hollywood etabliert. Sein Durchbruch gelang ihm mit dem Krimi „Training Day“, der dem Hauptdarsteller Denzel Washington dessen ersten Oscar bescherte. Nun hat Fuqua schon zum vierten Mal mit Washington gedreht: den Thriller „The Equalizer 2“, der am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt. Beim Festival von Locarno, wo der Film 6900 Zuschauer auf die Piazza Grande lockte, sprachen wir mit dem 56-jährigen Regisseur.
-Stimmt es, dass Sie Denzel in einer Kirche kennengelernt haben?
Ja, vor vielen Jahren, in einer Kirche in Los Angeles, in die wir beide bis heute jeden Sonntag mit unseren Familien zum Gottesdienst gehen. Damals haben wir uns jedoch nur im Vorbeigehen höflich gegrüßt. Es war seine Frau Pauletta, die Denzel und mich quasi verkuppelt hat: Sie hatte mein Regiedebüt „Die Ersatzkiller“ gesehen und ihm daraufhin geraten, sich unbedingt mal mit mir zu treffen. Er meinte: „Mit wem? Mit diesem Typen aus der Kirche?“ Zum Glück hat er auf seine Frau gehört – sonst wäre es vielleicht nie zu unserer Zusammenarbeit gekommen.
-Wie bringen Sie ihn dazu, in Ihren Filmen so viele brutale Dinge zu tun?
Wir glauben beide an die Bibel, insbesondere an den Satz aus dem Brief des Paulus an die Römer: „Der Sünde Lohn ist der Tod.“ Ich habe mir einen Erzengel auf den Arm tätowieren lassen, und ich bin entschieden der Meinung, dass Gottes Engel manchmal auch zum Schwert greifen müssen. So auch Robert, die von Denzel verkörperte Figur in den „Equalizer“-Filmen: Er gibt den Bösewichten immer zuerst die Chance, das Richtige zu tun – wenn sie sich jedoch weigern, werden sie bestraft, notfalls eben mit dem Tod. Roberts Gewaltausbrüche sind stets moralisch motiviert: Es geht darum, die Balance der Gerechtigkeit wiederherzustellen.
-In „Training Day“ hat Denzel zum ersten Mal in seiner Filmkarriere einen Bösewicht gespielt.
Ja, und er hat damals darauf bestanden, dass seine Filmfigur am Ende zur Strafe sterben muss. Oft kommen ganz entscheidende Vorschläge von ihm selbst. In „The Equalizer 2“ gibt es etwa eine Szene, in der er einem Übeltäter die Fingerknochen bricht. Das stand so nicht im Drehbuch, das war seine Idee, geboren aus dem Moment heraus. Am Set steckt Denzel so tief in seiner Rolle, dass er eine Szene jedes Mal anders spielt, wenn wir sie wiederholen müssen. Die Cutter treibt er damit regelmäßig in den Wahnsinn, aber ich liebe das, weil ich dadurch immer viele Auswahlmöglichkeiten habe.
-Was schätzen Sie am meisten an ihm?
Dass er so spielt, als wäre er gar nicht Mr. Washington, der zweifache Oscargewinner, der Filmstar, das Sexsymbol. Er hängt sich bei jeder Szene so extrem rein, dass man meint, er wolle sich selbst etwas beweisen. Heuer stand er dreieinhalb Monate lang jeden Tag vier Stunden lang am Broadway auf der Bühne – in Eugene O’Neills Theaterstück „Der Eismann kommt“, an dessen Ende er einen 35-minütigen Monolog halten musste. Ich war schon vom Zuhören so erschöpft, dass ich dachte: „Denzel, du kriegst kaum Geld dafür – warum tust du dir das an?“ Ganz einfach: Weil er die Schauspielerei liebt. Er sieht sich selbst als Handwerker, nicht als Star, ist völlig uneitel und hat keine Bodyguards. Ich kann ihn nicht einmal dazu bringen, einen Anzug zu tragen.
-Sie gelten als Actionspezialist, doch besonders bei „The Equalizer 2“ fällt auf, dass Sie sich auch viel Zeit für die Entwicklung der Figuren nehmen.
Ja, ich wollte, dass man auch ruhige Szenen genießen kann, ehe die Gewalt wieder explodiert. Oft habe ich dafür sogar diverse Dialoge gestrichen, denn ich finde, das Entscheidende lässt sich mit der Körpersprache der einzelnen Charaktere oft viel eindringlicher vermitteln als mit Worten. Man muss den Zuschauern nicht alles vorkauen – sie sind klug genug, erzählerische Lücken selbst zu schließen. Ich liebe Actionfilme der alten Schule, die den Figuren genug Raum geben, damit man mit ihnen mitfiebern kann. Moderne US-Actionfilme servieren hingegen seit Jahren das Gleiche: Alle 15 Sekunden muss irgendwas in die Luft fliegen, weil das Publikum angeblich keine Geduld mehr hat. Ich halte das für Blödsinn. Action ist nicht alles!
Das Gespräch führte Marco Schmidt.