Ist er der Mann fürs Böhmische? Jakub Hrůša lacht: „Ich habe vor einiger Zeit eine Auflistung gemacht und selbst gestaunt, dass nur etwa ein Drittel meiner Dirigate der tschechischen Musik gilt.“ Aber wenn der in Brünn geborene Dirigent nun erstmals ans Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks tritt, dann sind hundert Prozent Heimatklänge angesagt. Die Symphonie „Asrael“ von Josef Suk schlug der 37-jährige Tscheche dem Orchester vor, und dieses stimmte sofort zu, ist das Werk doch zuletzt in der Ära Kubelík aufgeführt worden. Gerade weil Josef Suk außerhalb seiner Heimat nicht so bekannt ist, setzt sich Hrůša für den Landsmann ein und schwärmt von dessen früher Meisterschaft.
Suk, der zur Generation Mahler und Strauss gehört, bewegt sich für Hrůša auch auf deren Niveau: „Mit dieser c-Moll-Symphonie hat der 30-Jährige 1906 sein Opus magnum komponiert.“ Ausgelöst wurde der Schaffensprozess durch den Tod des verehrten Schwiegervaters, Antonín Dvořák. Die ersten drei Sätze hat er ihm gewidmet. Doch eine weitere existenzielle Erschütterung spiegelt sich in den beiden folgenden Sätzen wider: Otilie, Suks Frau, starb kurz nach ihrem Vater, ein Jahr nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes. „Ich denke, dass die Komposition für den schon in jungen Jahren zum Tragischen neigenden Suk eine Art Therapie war“, sagt Hrůša. „Das Wunderbare daran ist aber, mit welcher Hoffnung er das Werk in C-Dur enden lässt. Man kann an ,Tod und Verklärung‘ von Richard Strauss denken.“
Als Ergänzung zu Suks 60-minütiger Symphonie wählte der Dirigent Dvořáks Violinkonzert (Solist: Augustin Hadelich). „Es bietet einen Kontrast und ist doch nicht zu leichtgewichtig. Außerdem erinnert es an die familiäre Verknüpfung beider Komponisten und daran, dass Suk auch ein berühmter Geiger war.“ Nicht nur Suks „Asrael“-Symphonie, für die Hrůša bei einem Gastspiel auch die Musiker des Cleveland Orchestra begeisterte, trägt er gerne in die Welt.
Nach seinem fulminanten Debüt bei den Münchner Philharmonikern im Juni nun also der Schritt ans Pult der BR-Symphoniker. Da fehlt dann nur noch die Oper. Jakub Hrůša schmunzelt: „Gespräche gab es schon vor einiger Zeit, aber leider auch Terminprobleme.“ Kein Wunder, ist der Dirigent doch mittlerweile in der dritten Saison Chef der Bamberger Symphoniker, außerdem ständiger Gastdirigent beim Philharmonia Orchestra London und bei der Tschechischen Philharmonie in Prag. Gerade erst debütierte er bei den Berliner Philharmonikern: Hrůša ist also ein gefragter Dirigent und muss aus Zeitgründen in Sachen Oper momentan ein wenig kürzertreten.
Als ehemaliger Glyndebourne-On-Tour-Chef ist er dort immer wieder beim Festival aktiv, gastierte aber auch an der Wiener Staatsoper, in London, Paris und Prag und wird im kommenden Jahr in Zürich Janáčeks „Die Sache Makropulos“ herausbringen. „Oper ist für mich immer ein Fest, das ich mir zwei- bis dreimal im Jahr gönne. Ich freue mich dann wie ein Kind, dass ich im Theater arbeiten darf. Es ist etwas ganz Besonderes für mich, und ich möchte keine Routine aufkommen lassen.“ Dass man ihn schon am Ende seiner zweiten Bamberger Spielzeit auf eine Verlängerung ansprach, war für Hrůša wunderbar. Er wird bis 2026 die Geschicke der dortigen Symphoniker bestimmen, jenes Orchesters, das nach dem Krieg von tschechischen Emigranten gegründet wurde. „Diese Tradition ist mir sehr nah. Ich fühle mich in Bamberg wirklich wohl. Unsere Vorstellungen von Repertoire, Klangästhetik und Probenarbeit liegen eng beieinander.“
Auch die ökonomische Stabilität (der Freistaat ist beim zur Staatsphilharmonie erhobenen Klangkörper mit im Boot), ein gut funktionierendes Management, interessante Reisen und CD-Aufnahmen weiß Hrůša an seinem Bamberger Chefposten zu schätzen. Dass er überdies noch die Freiheit hat, ab und an bei renommierten Orchestern zu gastieren, genießt er ebenfalls. „Das Schwierigste ist für mich, dass ich oft Nein sagen muss, wenn mich großartige Ensembles einladen und es mir eigentlich eine Ehre wäre, mit ihnen zu musizieren.“ Für München gab es jetzt schon zwei Ja-Worte. Ein guter Schnitt also.
Konzerte
morgen, Freitag und Samstag;
Telefon 0800/ 5900-594.
Bis mindestens 2026 bleibt er Chef in Bamberg
Zwei Ja-Worte für München in wenigen Monaten