Nicht die „Sieben Samurai“ begrüßen einen in der Kunsthalle München, sondern drei. Und mit Action haben sie auch nichts am Helm. In absoluter Gelassenheit sitzen sie da und erwarten den Ansturm der Besucher der Ausstellung „Samurai – Pracht des japanischen Rittertums“. Unser Westler-Blick auf die Ritter des Ostens ist insbesondere durch Filme geprägt, etwa von Akira Kurosawa. Und der lehrte uns in „Kagemusha – Der Schatten des Kriegers“, welch bezwingende Macht das bewegungslose Sitzen des Feldherrn ausstrahlen kann. Das ist die mythische, ja auratische Seite jener Kriegerkaste. Die andere präsentieren die drei vom Begrüßungskomitee ebenfalls: die Lust an Putz und Zier, also an Selbstdarstellung. Samurai waren keine metallgrauen Blechbüchsen wie unsere Ritter, sondern veritable Märchengestalten, Gestalten aus der Dämonenwelt.
Ihre Leiber waren gefasst in Russischgrün und Orange, Braun und Rosa oder, total edel, nur in Gold und Schwarz. Stoffbänder, Leder-, Lack- und Metallteile wurden zu einem flexiblen Panzer verbunden, der nicht nur schön – Achtung, Modedesigner! – war, sondern wohl auch Pfeile gut auffing. Neben diesen Teilen („Röckchen“, Brust-, Schulter- und Nackenpanzer) gab es wie bei Griechen und Römern Beinschienen. Arm- und Handschutz sowie Helme kennen wir von unseren Rittern, die Masken eher nicht, obwohl römische Soldaten sie gelegentlich bei Kampfspielen trugen. Bei den Japanern sollten sich indes die Handwerker mit ihrem Mega-Können austoben – und sollten ihre Fantasie explodieren lassen. Darf man so herrliche Sachen überhaupt in eine Schlacht schleppen?
Aufs Kriegerische hatte auch das Ehepaar Ann und Gabriel Barbier-Mueller nicht wirklich Lust, wie der Sammler bei der Pressevorbesichtigung charmant erzählt. Waffen sind in der Schau, die er zusammen mit Nerina Santorius aus der Kunsthalle kuratiert hat, folglich Nebensache – sogar die „Seele des Kriegers“, das Schwert. Eines ruht in seiner Scheide, daneben Pfeile, Bogen samt Zubehör, eine Donnerbüchse und eine Stangenwaffe. Die Barbier-Muellers ließen sich viel lieber von der Ästhetik der Rüstungen faszinieren. Sie wird in der Exposition zelebriert, indem die Teile der Monturen aufgefächert werden. Weihevolle Beleuchtung inszeniert die Exponate, die knapp in Funktion und Materialität erklärt werden.
Die Panzer und zugleich Statussymbole sind freilich nicht einfach exotische Designobjekte. Sie stehen vielmehr für 700 Jahre japanische Geschichte. Vom späten 12. bis zum späten 19. Jahrhundert waren die Samurai ein dominanter Stand. Ihr Aufstieg folgte dem der Shogune, die das Kaiserreich in zerstrittene Territorien zersplitterten. Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte sich ein Shogun durchgesetzt, und die Edo- alias Friedenszeit begann. Die Samurai passten sich an, blieben Krieger im Wartestand, den sie mit Verwaltungsaufgaben und ethischer Vorbildfunktion legitimierten. Als sich der Tenno, der Kaiser, 1868 wieder durchgesetzt hatte, wollte man die Samurai naturgemäß nicht mehr. Der Mythos, lebendig in Epen, dem Kabuki-Theater, auf Zeichnungen und dann im Film, wirkt dennoch weiter.
Spektakulärer Höhepunkt der Ausstellung ist die Samurai-Gruppe, die im gestreckten Galopp durch die Halle prescht – vor Spielfilm als Hintergrund. Aber es gibt so viel mehr Höhepunkte. Das sind die Helme. Es finden sich Formen aller Art: von Früchten bis zum breitkrempigen Hut eines Europäers. Und sie haben unfassbar vielfältige – auch lustige – Verzierungen: vom „barocken Schweinderl“ (eigentlich ein Löwe) über Dämonen bis zum durchbrochen gearbeiteten Ährenfeld, in dem Libellen gaukeln. Kombiniert mit den Masken – zwischen grimmig und komisch (westlich lange Säufernase) – spielen die Helme ihr ganz eigenes Theaterstück.
Bis 30. Juni,
täglich 10-20 Uhr; Katalog, Hirmer: 35 Euro; großes Begleitprogramm unter www.japan-muc.de.