Die Rache des Farmers

von Redaktion

John Grisham lässt in „Das Bekenntnis“ wieder tief in die US-Seele blicken

VON AXEL KRÖNAGEL

Dramatisch beginnt der neue Roman von John Grisham. Auf der ersten Seite kommt Pete Banning, ein angesehener Farmer im Süden der USA, zu einem fatalen Entschluss: „Es war Zeit für den Mord. Solange er den Mord nicht beging, war er nicht er selbst.“ Und er ist konsequent. An diesem Morgen im Jahr 1946 fährt er in die Kleinstadt, in deren Nähe seine Familie seit Generationen lebt, und erschießt den Pastor der Kirche in dessen Büro. Dann fährt er, als ob nichts Besonderes passiert wäre, wieder auf seine Farm.

Niemand in der Kleinstadt Clanton im Bundesstaat Mississippi, in der Grisham schon mehrere Romane angesiedelt hat, glaubt, dass Kriegsheld Banning scheinbar ohne Motiv den Geistlichen erschossen hat. Aber es gibt einen Zeugen, der Banning mit der Waffe aus dem Zimmer des Toten kommen sah. Der Farmer weigert sich beharrlich, etwas zu erklären. Natürlich kommt es zum Prozess, und hier reiht sich „Das Bekenntnis“ in die Tradition von Grishams Justizromanen ein.

Der Bestsellerautor zeigt eine Welt, in der 1946 Recht und Gerechtigkeit viel damit zu tun haben, wer man ist. Der Zeitung „Mail on Sunday“ erzählte Grisham, Jahrgang 1955, wie er selbst in einer solchen Umgebung aufwuchs: „Als ich jung war, gab es immer wieder Lynchmorde. Wir lebten in einer Welt, in der Kirche, Schule und auch das Elternhaus immer wieder betonten, dass die Weißen das Sagen haben und die Schwarzen ihren niedrigen Platz behalten würden.“

Im ersten Teil des Romans ist Grisham ganz der Alte. Er zeigt die Anwälte bei ihren Versuchen, die andere Seite auszustechen. Nach einigem Hin und Her gibt es ein Urteil. Aber die Frage bleibt offen, warum Ex-Soldat Pete Banning den Pastor erschossen hat. An sich könnte der Roman damit enden. Doch in zwei weiteren Abschnitten erzählt Grisham von Bannings Erlebnissen während des Zweiten Weltkriegs sowie von den Folgen des Urteils für Bannings Familie.

Die Kriegserlebnisse zeigen das harte Los US-amerikanischer Soldaten im Kampf gegen die Japaner auf den Philippinen. Ausführlich berichtet John Grisham von Kriegsgräueln, Kämpfen, Krankheiten und Verwundungen. Schlimmste Entbehrungen mussten Banning und seine Kameraden erleiden, bevor sie wieder nach Hause konnten. Umso unverständlicher bleibt Bannings Verhalten ein Jahr nach seiner Rückkehr. Ansonsten tragen die 180 Seiten wenig zur Erzählung bei.

Erst im dritten Teil des Romans kommt der vertraute John Grisham wieder zum Vorschein. Die Familie Banning muss sich gegen Schadenersatzforderungen wehren und mehrere Prozesse führen. Passenderweise studiert  Bannings  Sohn Jura und kann so gemeinsam mit den Lesern die verschlungenen Wege der amerikanischen Justizpraxis kennenlernen. Beim Versuch, den Familienbesitz zusammenzuhalten und das Verhalten ihres Vaters zu verstehen, kommen die Banning-Kinder immer mehr dahinter, dass die konservativen und rassistischen Traditionen der Region auch hier ihren unheilvollen Einfluss ausüben. Der Schriftsteller kritisiert diese Gesellschaft, der er selbst entstammt, zwar zurückhaltend, aber doch eindeutig.

In „Das Bekenntnis“ vertraut er auf bewährte Erzähltraditionen und ergänzt diese um eine gesellschaftliche Analyse, die für ihn neu ist. Nicht alles ist gelungen. Das Buch ist viel zu lang, und die Spannung lässt zwischendurch oft nach. Erst ganz am Schluss wird das Rätsel um den Grund für den Mord gelöst. Der Weg dahin bringt interessante Einsichten in die Gesellschaft des US-amerikanischen Südens. Viel hat sich nicht verändert.

John Grisham:

„Das Bekenntnis“.

Aus dem Amerikanischen von Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter und Imke Walsh-Araya. Heyne Verlag, München, 592 Seiten; 24 Euro.

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