„On the Town“

von Redaktion

Bernsteins Musical von St. Gallen an den Gärtnerplatz

VON TOBIAS HELL

Seinen Platz im Musical-Olymp hat sich Leonard Bernstein natürlich vor allem mit der „West Side Story“ erarbeitet. Den Broadway-Durchbruch verdankte der blutjunge Komponist einst jedoch einem anderen Werk, „On the Town“, 1944 auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs uraufgeführt und damit im wahrsten Sinne des Wortes ein wilder Tanz am Rande des Vulkans.

Dass das Genre damals noch in den Kinderschuhen steckte und die Show ihre Wurzeln in der klassischen Nummernrevue nicht immer verleugnen kann, merkte man freilich auch jetzt bei der Premiere am Gärtnerplatztheater, die in den stilvollen Kostümen von Alfred Mayerhofer optisch viel nostalgisches Flair verströmt. Auf dem Tagesprogramm ein Landgang der drei Matrosen Gabey, Chip und Ozzie, die vor dem nächsten Gefechtseinsatz einen Tag lang Zeit haben, den Big Apple unsicher zu machen. 24 Stunden, um Spaß und ein bisschen Liebe zu finden. Denn, so lernen wir an diesem zuweilen zotigen Abend: Der New Yorker und besonders die New Yorkerin scheint vor allem eines zu sein, permanent paarungsbereit.

Die Produktion selbst ist diesmal eine Übernahme vom Theater St. Gallen, wo die Inszenierung von Josef E. Köpplinger vergangene Saison in nahezu identischer Besetzung herauskam. Und genau darin lag wahrscheinlich das einzige echte Manko des Abends, der sich weniger nach einer adrenalingeladenen Premiere anfühlte, als nach einer routiniert abgespulten Repertoirevorstellung.

Mit Daniel Prohaska, Boris Pfeifer und Peter Lesiak begegnet man einem sympathischen Matrosen-Trio, das seine Gags treffsicher raushaut. Doch das, was der Amerikaner einen „Triple Threat“ nennt, einen Darsteller, der in Gesang, Tanz und Schauspiel gleichermaßen brilliert, ist keiner der drei. Was man vor allem in den Ensemblenummern dieses tanzlastigen Musicals registriert. Choreograf Adam Cooper, der sich sichtbar von der Broadway-Produktion inspirieren ließ, nutzt die Bühne meist bis auf den letzten Quadratzentimeter und sorgt permanent für Bewegung. Doch wollen Ballett- und Musicalensemble nicht immer auf Anhieb zu einer Einheit verschmelzen. Wozu Cooper wirklich in der Lage ist, zeigen so vor allem zwei  gefühlvolle  Pas de deux, in denen das Gärtnerplatz-Ballett glänzen darf. Nicht zuletzt, weil in den großen Tanzsequenzen wie dem „Subway Ride“ Dirigent Michael Brandstätter und das Orchester zu großer Form auflaufen und Bernsteins grandiose Partitur frei von jener Operettenseligkeit zeigen, die sich in der etwas gehetzt wirkenden Ouvertüre eingeschlichen hatte.

Die stärksten Impulse des Abends kommen von den drei Damen, in die sich das Trio auf Landgang verguckt. An vorderster Front Bettina Mönch als kühl kalkulierende Anthropologin Claire de Loone, die in Lesiaks tapsigem Ozzie das ideale Forschungsobjekt findet und in seinen Armen zunehmend auftaut. Zusammen mit Sigrid Hausers handfester Taxifahrerin Hildy sorgt sie für einen der emotionalen Höhepunkte des Abends. Zeigt das melancholische „Some other Time“ doch, dass beide Damen nicht nur als geborene Komödiantinnen ihr Handwerk beherrschen, sondern das Publikum ebenso mit leisen Tönen zu fesseln vermögen. Julia Klotz hat da stückbedingt weniger Chancen, Gabeys Traumfrau Ivy Tiefgang zu geben, sorgt aber gerade im Zusammenspiel mit der wandlungsfähigen Dagmar Hellberg für so manches Schmunzeln und holt wirklich alles raus, was die undankbare Rolle zulässt.

Dass es da zwischen all dem Flitter und Glitter auf der Bühne auch eine stumme Kriegsbraut gibt, die im Finale immer noch vergeblich auf ihren Liebsten wartet, registriert man zwar. Die eigentliche Schlusspointe – dass am Ende drei neue Matrosen von Bord gehen und die Suche nach Spaß und Kurzzeit-Liebe quasi wieder von vorne beginnt – verschenkt die Regie, indem man zur letzten Reprise des Knallers „New York, New York“ noch einmal alle Protagonisten an der Rampe versammelt. Die Erinnerungen an die vitale Produktion der Theaterakademie, in der München das Stück vor noch gar nicht allzu langer Zeit kennenlernen durfte, vermag der Abend so nicht auszulöschen. Gut unterhalten wird aber zweifellos.

Nächste Vorstellungen

am 30.4., 3., 4., 14., 18.5.; Karten: 089/ 21 85 19 60.

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