Die Münchner Saxofonistin Carolyn Breuer hat in diesem Jahr zwei besondere Jubiläen. Zum einen feierte die Tochter des Jazzers Hermann Breuer gerade ihren 50., zum anderen blickt sie auf 35 Bühnenjahre zurück. Für das eine Jubiläum bekam sie vom elfjährigen Sohn Alexander – selbst Schlagzeuger und Schauspieler – einen ihrer Songs als Punkversion geschenkt, für das andere Jubiläum lädt sich Breuer von heute an Gäste für ein fünftägiges Gastspiel in die Münchner Unterfahrt ein. Wir besuchten die Jazzerin daheim und durften dabei auch einen Blick in ihr Fotoalbum werfen.
Wann haben Sie entschieden, Jazz zu spielen?
Mit zwölf lernte ich klassisches Saxofon. Und irgendwann hat mich die Musik halt gepackt. Mit zehn, elf und zwölf Jahren fand ich Jazz doof. Ich bin zwar gerne mitgegangen auf Papas Konzerte, aber der Funke ist nicht so richtig übergesprungen. Ich stand wie mein Sohn jetzt auch eher auf Punk – und auf die Neue Deutsche Welle. Dann hatte mein Vater aber eine Band mit dem hervorragenden Saxofonisten Allan Praskin. Der spielte wie ich Alt-Saxofon, und ich fand seinen Ton so gut. Da habe ich angefangen, in den Platten meines Vaters zu kramen, entdeckte Billie Holiday und vor allem Charlie Parker. Da war ich dann plötzlich angefixt.
Wieso haben Sie Saxofon gespielt, wenn Sie eigentlich auf Punk standen?
In der Grundschule habe ich Klavier gespielt. Ich war aber außerdem eine sehr gute Schwimmerin und Taucherin. Unter Wasser habe ich alle Jungs abgehängt. Und da meinte mein Vater mehr als Gag: Eigentlich musst du doch ein Blasinstrument lernen. Das war aber gar nicht so gemeint, dass ich Musikerin werden soll.
Das ging aber dann trotzdem recht schnell…
Ja, mit 15 hatte ich die ersten Jobs als Saxofonistin. Damals war plötzlich das Saxofon voll angesagt in der Popwelt. Da habe ich schon ganz gut verdient.
Haben sich die Vorbilder geändert, oder steht Charlie Parker heute noch immer ganz oben?
Mit 15 war ich Puristin. Da gab es Diskussionen bis morgens um vier, warum Parker und kein anderer. Später kamen natürlich John Coltrane, George Coleman und Branford Marsalis hinzu.
Mit Coleman haben Sie in New York gearbeitet…
Ja, da bin ich öfters hin zu Stunden oder Sessions. Ich durfte auch beim Northsea-Festival mitspielen. Er hat mich sehr unterstützt. Er gab mir das Gefühl, dass es sich lohnt dranzubleiben, weiterzumachen. Das braucht man, wenn man Anfang 20 ist und total unsicher. Ich bin ja eher ein zweifelnder Mensch.
Stand bei Ihnen je die Option im Raum, in ein Orchester zu gehen?
Dass ich keine Orchestermusikerin werde, war mir relativ früh klar – und zwar schon beim Jugendjazzorchester. Da war ich mit 18 die erste Frau, die angenommen wurde. Das hat mich aber total abgetörnt. Da sitzen und Noten fressen, da mache ich lieber etwas ganz anderes. Das klingt vielleicht arrogant, aber ich bin nun einmal ein ganz anderer Mensch. Ich brauche den Freiraum. Sonst wird es öde.
Sie haben Klassik, Pop, Blues und viele andere Stile gespielt. Wie hat das Ihre Musik verändert?
Ich habe vor allem in den vergangenen Jahren viele unterschiedliche Sachen gehört und auch gespielt, vom alten Blues und Folk bis Country. Ich merke, dass dadurch mein Spiel beim Jazz viel freier wird. Und das war auch eines der Dinge, die mir damals Branford Marsalis sagte: „Du hast viel zu viel Jazz gehört. Du musst dich öffnen und andere Musik spielen.“ Diesen März war er in München für ein Konzert. Da waren wir kurz etwas essen, und ich habe ihm gesagt, dass ich jetzt so richtig geschnallt habe, was er damals meinte. Er hat ja wirklich fast alles gemacht – von Bluegrass bis Pop mit Sting.
Wenn Sie nochmals 15 wären, würden Sie wieder Saxofonistin werden?
Garantiert nicht. Damals gab es nicht 25 Saxofonistinnen in der Stadt, dadurch hatte ich ein Alleinstellungsmerkmal. Am Gymnasium gab es mich, und alle wussten, dass ich Saxofon spiele. Das war für mich ein wichtiges Zeichen, um mich abzugrenzen von den Tussen, die nur mit Mode zu tun hatten. Insofern war das für mich auch ein kleines politisches Statement, emanzipiert zu sein, etwas zu machen, was nicht so weibchenmäßig ist. Wahrscheinlich ist es heute eher langweilig, wenn man sagt, man ist Jazz-Saxofonistin. Jeder kann singen, ist bei „The Voice“, jeder spielt ein Instrument. Wahrscheinlich wäre mir das heute als 15-Jährige zu beliebig. Ich würde mir etwas ganz anderes suchen, um mich abzugrenzen. Ich weiß gar nicht, ob mich die Musik reizen würde. Die Musik damals war wie eine Unterwelt – man musste sie suchen. Jazz ist zwar noch immer eine Nische, aber viel kommerzieller. Und alles ist verfügbar. Du kannst über Youtube sofort den besten Saxofonisten von Korea anhören oder egal von wo. Da bist du ständig am Vergleichen. Wie soll man sich da als junger Musiker positionieren? Ich bin froh, dass ich dieses Problem nicht habe.
Das Gespräch führte Antonio Seidemann.
München-Konzerte
Termine und Besetzungen zu Carolyn Breuers Reihe „Celebrating 35 Years of Jazz“ in der Münchner Unterfahrt finden sich unter www.unterfahrt.de.