Wie aus einer anderen, lyrisch-lichten Welt

von Redaktion

Die Bayreuther Festspiele nahmen „Lohengrin“ mit Klaus Florian Vogt in der Titelpartie wieder auf

VON MARKUS THIEL

Zwei, vielleicht drei Minuten braucht es, dann hat der Herr im Haus sein Revier markiert. Rein musikalisch natürlich: Christian Thielemann wiederholt bei der Wiederaufnahme des „Lohengrin“ sein Vorspiel-Wunder aus dem Premierenjahr. Alles an Ahnung und Inhalt packt er in diese Wundermomente, danach ist das meiste über das Ritter-Schicksal gesagt. Noch mehr als 2018 gerät Bayreuths Musikdirektor ins Abschmecken, in die Feinabstimmung, verliebt in Details und Mixturen. Kurz vor dem Manierismus ist das und doch verblüffend: Thielemann dirigiert den „Lohengrin“ tatsächlich so, als sei dieses Frühwerk Wagners schon fürs Festspielhaus komponiert worden.

Drei Neubesetzungen gibt es heuer. Klaus Florian Vogt, ohnehin auf den Titelhelden abonniert, übernimmt ihn für ein paar Vorstellungen, Mitte des Monats kehrt Vorjahres-Dominator Piotr Beczala zurück. Noch immer tönt Vogt wie aus einer anderen, lyrisch-lichten Welt. Kleine klangliche Versteifungen, dazu sein bekanntes häufiges Nachatmen in den Phrasen sieht man ihm nach: Auch auf der Bühne müssen um die 30 Grad herrschen. Camilla Nylund gestaltet eine lyrischere, weichere, gedecktere Elsa als Anja Harteros. Sorgsam disponiert, ohne Anstrengungen in Extremlagen, am Text orientiert, vielleicht eine Spur zu neutral.

Elena Pankratova, Nachfolgerin von Waltraud Meier, muss sich vor keiner Stelle in der Ortrud-Partie fürchten – und zeigt das auch. Den Fluch im zweiten Akt meißelt sie in den Raum. Man staunt über den Umfang der Stimme, über die Flexibilität und linst doch immer wieder nach Übertiteln: Von Wagners Versen sind nur Andeutungen zu vernehmen. Das ist anders bei Georg Zeppenfeld, schon bei der Premiere dabei. Den unangenehm gelagerten König Heinrich hat sich dieser immens kluge Sänger zurechtgelegt wie kaum ein anderer. Zeppenfeld führt vor, dass man die Partie tatsächlich singen kann wie ein monumentalisiertes, überlanges Lied. Wieder dabei ist auch Tomasz Konieczny – der müsste allerdings irgendwann deutlich machen, dass man ihn nicht nur als Telramund engagiert, weil er so schön laut ist.

Nach Tobias Kratzers „Tannhäuser“-Coup vom Vortag ist dieser „Lohengrin“ doppelt enttäuschend. Regisseur Yuval Sharon hat minimal an seinem Arrangement gearbeitet. Der verzauberte Gottfried im rasengrünen Anzug ist jetzt kein Mann mehr, sondern ein Kind. Auch wird Elsa von ihrem Ritter eine Spur mehr gedemütigt. Der Rest: Fehlanzeige. Man hält sich an die Fantasy-Ausstattung von Neo Rauch und Rosa Loy, ans blautönige Elektrizitätswerk und grübelt über zweierlei – wie man den Volt-Wert erhöhen könnte. Und wie viel wohl Star-Maler für ein Bühnenbild einstreichen.

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