Wenn Helge Schneider das feierwütige Volk zum Tanzen animiert – dann hört er sich wie ein 89-jähriger asthmatischer Hochzeitsalleinunterhalter aus Lüdenscheid an, der hinter seiner Heimorgel versucht, wie Scooter-Schreihals H. P. Baxxter zu klingen. Hyper, Hyper, Helge! „Dance to the Music! Move your Body!“, deklamiert Deutschlands liebster Universalkomiker mit verhaltener Ekstase, und das für knapp acht Minuten. Mit dem wunderlichen Tanzversuch „Dance to the Music (Music is the Language)“ nimmt Helge Schneiders neues Album „Partypeople (beim Fleischer)“ unvermeidlich seinen Lauf. Und wär’s nicht wunderlich, wär’s nicht von Helge.
49 Minuten lang jazzt (schön altmodisch deutsch ausgesprochen) der 63-Jährige meist im Alleingang vor sich hin, bläst ergiebig ins Saxofon und philosophiert in Sketchen über seinen Sohn, der auf einem Kreuzfahrtschiff eine 98-jährige Frau geehelicht hat. Oder über den Unterschied zwischen Fleischwurst und Leberwurst, was dann auch den Fleischer ans Ende seines Lateins bringt, den Helge selbstverständlich auch selbst spricht: „Obwohl ich gar nicht Latein lernen musste, fürs Fleischer.“
So gut wie alles erledigt Schneider auf seiner neuen Langspielplatte selbst, bedient praktisch alle Instrumente und hat auch noch als Tonmeister amtiert. Die Helge-Schneider-Kapelle besteht somit vor allem aus ihm selbst. „Ist weniger Arbeit, als man denkt“, lässt er wissen. Wer sich „Partypeople (beim Fleischer)“ anhört, bekommt also 100 Prozent Helge. „Darf’s ein bisschen mehr Schneider sein?“ Na klar! Das mag man als Verheißung empfinden – oder als Bedrohung. Lustig isses allemal.
Wer den Groß-Dadaisten heuer im Frühjahr auf seiner „Unordnung muss sein“-Tour erlebt hat, weiß, was ihn erwartet. Denn weite Teile des Albums entstammen diesem Programm. Dazu gehört auch die prächtige Pianoballade „Wundertüte (ja ja die)“, in der Schneider zu einem hübschen Klaviermotiv über die „Wundertüte des Lebens“ philosophiert – die für die einen reich gefüllt ist, für die anderen aber nur Puffreis enthält. Ob es sich dabei um Kritik an der sozialen Ungleichheit in unserem Land handelt oder nur um verschmitzt vorgetragenen Unfug, liegt wie bei Helge gewohnt im Ohr des Betrachters.
Und überhaupt, so viele Fragen. Will/muss man die Stücke, die live so herrlich funktionieren, auch noch auf Platte hören? Und möchte man sie womöglich sogar öfter hören, drei-, vier- oder fünfmal? Die Antworten kennt nur Helge Schneider. Wobei, Quatsch mit Soße: Er kennt sie natürlich selbst nicht.
Helge Schneider:
„Partypeople (beim Fleischer)“ (Cable Car Records).
Am Montag, 9. September, ist Helge Schneider im Münchner Literaturhaus, Salvatorplatz 1, zu Gast. Gemeinsam mit dem Schriftsteller und Regisseur Alexander Kluge gestaltet er den Abend „Komik. Eine Zweigstelle der Philosophie“. Kluge hatte in unserem Interview erklärt, Schneider wäre ein guter Kanzler, „weil er querdenken kann“. Wer sich selbst ein Bild machen will: Beginn ist um 20 Uhr, Restkarten gibt es an der Abendkasse.