Es hätte so schön sein können. Gerade hatte das Münchner Haus der Kunst einen Mega-Publikumserfolg mit der Schau zum Schaffen von El Anatsui – aber selbst verschuldete Querelen haben die Ausstellungshalle wieder eingeholt. Mit dem Versuch, 48 Angestellte aus dem Bereich von Aufsicht, Pforte und Kasse zu entlassen, haben sich Geschäftsleitung und das aufsichtführende Kunstministerium in eine Sackgasse manövriert. Die öffentliche Meinung und Prominente von Ai Weiwei bis Senta Berger haben sich mit den Geringverdienern solidarisiert. So auch Markus Lüpertz (Jahrgang 1941).
Ihm ist nun die Ausstellung „Markus Lüpertz: Über die Kunst zum Bild“ gewidmet. Man mag den (äußerlichen) Dandy als „Malerfürsten“ titulieren; er selbst weiß freilich, dass nur Arbeit, Arbeit, Arbeit zählt. Der zweite Ärger für Geschäftsführer Bernhard Spies hängt unmittelbar mit dem Künstler zusammen. Die Landtagsfraktion der Grünen wirft Spies vor, dass er zu eng mit der Galerie Michael Werner verbandelt sei. Spies konnte sich also bei der Pressevorbesichtigung der Exposition nicht recht freuen. Er stellte stattdessen klar, dass er in der Kontinuität des verstorbenen künstlerischen Leiters Okwui Enwezor arbeite. Dem seien deutsche Künstler wichtig gewesen, die auf den Zweiten Weltkrieg reagiert hätten. So folge jetzt auf die Immendorff- eine Lüpertz-Ausstellung.
Betritt der Besucher die Präsentation durch den Extra-Eingang, den zwei rote Pylone markieren, ist jener Hickhack sofort vergessen. Kuratorin Pamela Kort hat sich zwar auf die Phasen von 1963 bis 1980 und von 2000 bis heute konzentriert. Die Auswahl von rund 200 Gemälden, Skulpturen und Zeichnungen bietet indes ein schönes, ja, auch überraschendes Panorama auf das gesamte Œuvre. Dass da schon wieder ein alter Mann der Urheber der Kunst ist, spielt angesichts von kompakter Kraft hier und lockerer Sudelei dort, Klassischem, das aufbricht, oder Experimentierfreude, die durchaus einmal zu nichts führt, überhaupt keine Rolle. Korts Idee, dass Filme von John Huston über Michelangelo Antonioni bis zu Alain Resnais die Malerei Lüpertz’ beeinflusst hätten, ist im Haus der Kunst eher nicht nachvollziehbar. Dafür jedoch: Arbeit, Arbeit, Arbeit.
Deswegen zeigt Kort mit Serien und Werkkomplexen eindrucksvoll, dass und wie Markus – früher signierte er mit „MARKUS“ – Lüpertz, Bildfindungen und -gebungen aus dem Zeichen- und Malvorgang schält. Im ersten Saal führt sie also gründlich das Werden der berühmten Lüpertz’schen „Dithyramben“ vor. Die Bezeichnung für den altgriechischen Hymnus an Wein- und Theatergott Dionysos begleitet den Künstler seit seinen Anfängen. Der Antike ist er nicht nur in dieser Weise treu geblieben. Sie ist sein Anker – obwohl er rotzfrech mit ihr umgeht. Deswegen sind seine „Dithyramben“ aus den Sechzigern klobige Körper aus Rechtecken und Rundungen, die Pamela Kort auf das skulptural-architektonische Grafikdesign von „20th Century Fox“ zurückführt. Darf’s ein bissl Pop-Art sein!? Ja, auch Donald Duck kommt vor – allerdings ebenfalls gnadenlos verwandelt. Lüpertz ist eben durch und durch Europäer.
Daher glaubt er nicht an eine „Neue Welt“, an eine „Stunde Null“, an einen wurzellosen Anfang. Er greift auf und verwandelt: bis zur Kenntlichkeit wie bei den nackten klassizistischen Gestalten, die Hans von Marées’ Gemälde zitieren; bis zur Unkenntlichkeit, wenn etwa Dachpfannen zu abstrakten Systemen werden. Alltagsgebilde wie Betonsperren („Westwall“), Helme, Geweihe oder Geigenschnecken werden durch Reihung, Extremformate – gute Hängung im Hauptsaal –, Solitär-Setzung, Farbgebung und andere Verfremdungsstrategien als Symbole inszeniert. Mal entschlüsselbar, mal rätselhaft wie die düstern „5 Bilder über den Faschismus“ (1980) – mal einfach phänomenal effektvoll wie das neun Meter hohe Werk „Canyon – dithyrambisch“. In Trompe-l’œil-Manier bricht da ein stark stilisierter schwarzer Riss in der grün-gelb-braun-blauen Wand auf. Dieses Aufbrechen behält Markus Lüpertz bis heute bei – auch für die eigene Malerei.
Der kompakte Farbauftrag ist in den vergangenen Jahren einer ungenierten, unordentlichen, durchlässigen Textur gewichen. Die Selbstironie rüttelt fröhlich am „Malerfürst“-Image, wenn bewusst unproportionierte Nackerte bisweilen in der Landschaft herumstehen, teils als Akte, teils als antike Torsi, teils als hingewischte Putti. Kein Wunder, dass auch die eigenen Skulpturen unverschämt mit Heroen umgehen: Beethoven hellblau im Gesicht, Haare rosafarben und Herkules – ein buntes Kerlchen. Wo der Klassizismus die Form des Torsos zelebrierte, pocht der Markus Lüpertz darauf, dass sie Amputation bedeutet. Lüpertz, das ist Härte auf den zweiten Blick.
Bis 26. Januar 2020
täglich 10-20, Do. 10 bis 22 Uhr; 089/21 12 71 13; Katalog, Verlag Walther König: 49,90 Euro.