Der „Rosenheim-Cop“ sagt Servus

von Redaktion

Wegen einer schweren Krebserkrankung läuft die beliebte Krimireihe derzeit ohne Joseph Hannesschläger

VON DETLEF VETTEN

Betty hat zur Feier des Tages Apfelkuchen gebacken. Joseph Hannesschläger gabelt den ersten Bissen auf, lächelt, legt seiner Ehefrau die Hand aufs Knie und brummelt: „Klasse, Schatz!“ Ein schöner Moment. Endlich raus aus dem Krankenhaus. Endlich zurück im Münchner Zuhause. Joseph Hannesschläger genießt den Augenblick. Endlich ist er wieder sein eigener Herr. In den letzten Tagen ist ihm das Krankenhaus zu viel geworden. Verflixte Chemo. „Du willst wissen, wie es mir geht“, fragt er den Reporter: „Es gibt Augenblicke, in denen ich sage, es geht mir beschissen. Aber dann nimmt mich Betty bei der Hand, wir schauen uns an, und ich sage: Okay, jetzt wird weiter gekämpft.“

Der bekannteste Fernsehpolizist deutscher Sprache (von Bozen bis zum Bodden kennt man den „Rosenheim-Cop“) setzt sich in Nachrichtensprecher-Positur. „I sog’s, wia’s is. Und dann is aa guat.“ Die Nachricht, die er loswerden will, ist alles andere als gut: „Ich habe einen neuroendokrinen Tumor. Der ist leider nur palliativ zu behandeln.“ Hannesschläger zitiert Sir Anthony Hopkins: „Keiner von uns kommt lebend hier raus. Also hört auf, Euch wie ein Andenken zu behandeln. Esst leckeres Essen. Spaziert in der Sonne. Springt ins Meer. Seid albern. Seid freundlich. Seid komisch. Für nichts anderes ist Zeit.“

Das hat der „Rosenheim-Cop“ in einer düsteren Stunde gelesen, er hat es sich notiert und selbst ans Ende des Zitats geschrieben: „Recht hat er, der Sir.“ Jetzt muss er sich ganz auf den Kampf gegen die Krankheit konzentrieren. Die nächsten Folgen der „Rosenheim-Cops“ werden ohne den Mann gedreht, der die Serie zu einem sensationellen Quotenerfolg gemacht hat. Fast 20 Jahre hat er bei den „Rosenheim-Cops“ den Ton angegeben und ein Millionenpublikum begeistert. Jetzt müssen seine Fans ohne den kultigen Kommissar auskommen.

Ein herziger Bub ist er gewesen, ein Sonnenschein. Viele Fotos aus den ersten Jahren in München-Giesing sind nicht geblieben. Aber ein paar hat er noch. Da gibt es den Schnappschuss von der Einschulung des kleinen Joseph. Klar hat er sich in die erste Bank gemogelt. Neben ihm das blonde Mädchen schaut verschüchtert an der Schultüte vorbei, der Joseph hat schon die Frau Lehrerin ins Visier genommen und deutet mit gestrecktem Zeigefinger an, dass er was weiß.

Leicht hat er sich getan mit dem Lernen. Die Eltern haben keinen Druck gemacht, er hat es nicht übertrieben mit dem Strebern. „Es ist schön, wenn man sagen kann, man hat eine glückliche Kindheit gehabt“, resümiert Hannesschläger. „Mein Vater hatte zusammen mit einem Arbeitskollegen eine Hütte in Österreich gepachtet. Als kleines Kind habe ich auch Kühehüten und Melken gelernt. So konnte ich – Jahrzehnte später – den Korbinian Hofer im Stall als Bauer darstellen. Ein Cop, der einen Traktor fahren und Kühe versorgen kann, das war was Eigenes.“

Der junge Joseph liest, was er in die Finger bekommt. Fasziniert ist er, als er die ersten Male in einem Theater sitzt. Dann darf er selbst auf die Bühne, und die Lehrerin ist hingerissen von dem kleinen Kerl, der in seiner Rolle aufgeht. „Joseph“, sagt sie, „Du musst Schauspieler werden, Du musst.“ Das hat er sich gemerkt. In der Zwischenzeit hat der junge Hannesschläger Giesing unsicher gemacht, einen Schlag bei den Mädchen und ein unbeschwertes Leben gehabt.

Und da ist ja auch noch die Musik. „Ich habe sehr früh, so mit vier Jahren, den Plattenschrank meiner Eltern geplündert, Harry Belafonte und Elvis gehört.“ Diese Liebe zur Musik ist bei Joseph Hannesschläger ein gewaltiges Gefühl. Gerade in den schweren Monaten erlebt er das immer wieder. So wie jetzt im Sommer, als Burt Bacharach („Raindrops keep falling on my Head“) im Münchner Gasteig gastierte. Hannesschläger hatte keinen besonders guten Tag. Aber er fuhr mit seiner Betty zum Konzert. Mühte sich sehr auf dem Weg zu seinem Platz. Die Menschen sahen ihm besorgt zu. Einen Riesenrespekt konnte man spüren.

Hannesschläger setzte sich, das Licht ging aus, auf die Bühne kam der 91-jährige Bacharach und hockte sich ans Klavier. Die Musik begann, und die Menschen fingen zu träumen an. Und Joseph Hannesschläger? Hatte jetzt ein frohes Gesicht. Kannte jedes Lied, wusste jeden Refrain – und sang, es war perfekt, Note für Note mit. Zweieinhalb Stunden hatte die Krankheit nichts, aber rein gar nichts zu melden gehabt.

Neben der Musik hat er immer schon die Tanzerei im Blut – und eine Frage treibt ihn als steckerldürren Jung-spund immer wieder um: Soll er nun Schauspieler werden? Erstmal lernt er etwas Handfestes. Er wird Koch. Kommt in Laim in einer vogelwilden Musiker-WG unter. Man hat lange Haare, laute Gitarren und große Träume. Man hat so ein Gefühl wie der Monaco Franze oder wie der „Tscharlie“ in den „Münchner Geschichten“. Und plötzlich ist der Hannesschläger kein Koch mehr, sondern ein Künstler, ein Kreativer mit hunderten Ideen. Ein bayerisches, menschgewordenes Kraftwerk mit Lebensmittelpunkt Schwabing. Einer, der nicht weiß, was das Morgen bringt. Aber darauf setzt, dass irgendwann der nächste Wurf gelingt.

Nächste Folge:

„Ein Cop für alle Fälle“

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