„Die eindeutig erste Wahl“

von Redaktion

Andrea Lissoni von der Tate Modern wird der neue Chef des Hauses der Kunst

VON SIMONE DATTENBERGER

„München und das Haus der Kunst sind ein bisschen mein Herz.“ Das fast schüchterne Geständnis entschlüpft dem gebürtigen Südtiroler Andrea Lissoni. Er wurde gestern Nachmittag von Kunstminister Bernd Sibler (CSU) bei einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit als der neue künstlerische Geschäftsführer des Hauses der Kunst vorgestellt. Zuvor hatte sich der 49-Jährige mit dem Team der Ausstellungshalle unterhalten. Ab 1. April 2020 wird er auf Okwui Enwezor folgen (Fünf-Jahres-Vertrag), der 2018 krankheitshalber ausschied und am 15. März 2019 verschied. Die von diversen Personal- und Finanzskandalen gebeutelte Institution wurde seit damals interimistisch künstlerisch geführt.

Sibler holte sich einen Expertenrat (Bice Curiger, Achim Hochdörfer, Ingvild Goetz), der das Haus stützte – und eine hochkarätige internationale Findungskommission anregte (Daniel Birnbaum, Stockholm, Susanne Gaensheimer, Düsseldorf, Nicholas Serota, London, Nina Zimmer, Bern, Doryun Chong, Hongkong). Sie filterte aus einer zweistelligen Zahl an denkbaren Kandidaten eine „Shortlist“, wie Kommissionsmitglied Nina Zimmer, Direktorin des Kunstmuseums Bern und des Zentrums Paul Klee, erklärte. Lissoni war für alle inklusive Minister „die eindeutig erste Wahl“.

Der kommende Haus-der-Kunst-Chef ist zurzeit noch Senior Curator International Art (Film) an der Londoner Tate Modern. Von 2011 bis 2015 war er Ausstellungsmacher an Mailands HangarBicocca. Er hat nicht nur Festivals („Netmage“) und Künstlernetzwerke („Xing“) begründet, sondern lehrt auch und ist natürlich stark im Filmbereich aktiv. Seine Vielseitigkeit – ebenfalls im Bereich Performance –, kombiniert mit „einer breiten Kenntnis moderner Kunst“, hat die Findungskommission beeindruckt. „Er ist ein brillanter Kurator“, so Zimmer.

Für Andrea Lissoni stehen die Menschen im Mittelpunkt: die im Haus arbeiten und die, die von außen ins Haus kommen und möglichst ihre Begeisterung über die Ausstellungen weit hinaustragen sollen („die besten Botschafter“). Das ist der große Wunsch des designierten Direktors. Deswegen möchte er zunächst einmal zuhören. Seine drei Visionen seien „Einstimmen“ auf die Kunst, ein offenes Haus und ein Strömen („Transmission“) zwischen lokal und global. „Kunstinstitutionen des 21. Jahrhunderts müssen sich mit zwei Phänomenen auseinandersetzen: die digitale Welt und Zugehörigkeit.“ Das „Wie“ sei die große Frage. Deswegen will Andrea Lissoni interdisziplinär arbeiten, „optimistisch sein“ und aufs Publikum zugehen. Es sei wichtig, sich „nicht zu isolieren“. Das werden alle mit Erleichterung aufnehmen, denen Okwui Enwezor zu abweisend und an seiner Umgebung zu desinteressiert war. Klar, dass der Italiener bereits die Hochschule für Fernsehen und Film sowie beispielsweise die Kunsthochschule ins Auge gefasst hat.

Er möchte nun jeden Monat nach München kommen und aus dem Gespräch mit den Kollegen Programmatisches entwickeln. Ideen habe er, aber das langsame „Einstimmen“ sei notwendig. Genauso überlegt geht Lissoni die historische Belastung des Hauses an wie auch die Belastung, dass es komplett saniert und teils umgebaut werden soll. Minister Sibler betonte: „Wir wollen eine Totalschließung vermeiden.“

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