Musikgeschichte, die schwingt

von Redaktion

Siggi Loch, Chef des Münchner Jazzlabels Act, über 80 Jahre Blue Note Records

Im Jahr 1939 gründeten Alfred Lion und Francis Wolff, zwei jazzbegeisterte deutsche Emigranten in New York, eine Firma, um ihre Lieblingsmusik zu produzieren. Der Rest ist Geschichte: Blue Note Records avancierte zum bis heute bedeutendsten Jazzlabel, vor allem die Produktionen der Fünfziger- und Sechzigerjahre bilden das Herzstück einer jeden Jazz-Plattensammlung. Am 16. November gibt es im Münchner Prinzregententheater unter dem Titel „The Jazz Animals: It must schwing!“ (Lions immer wieder mit deutschem Akzent wiederholtes Credo) einen Tribut an die Legenden von einst. Siggi Loch hat den Abend kuratiert. Wir sprachen mit dem 79-Jährigen, der seit mehr als 25 Jahren Chef des erfolgreichen Münchner Jazzlabels Act ist, über das Jubiläum.

Wie hatten Sie die Idee zur Hommage an das Label Blue Note?

Mit 15 erlebte ich ein Konzert des Sopransaxofonisten Sidney Bechet und wurde binnen einer Stunde zum enthusiastischen Jazzfan. Wenig später kaufte ich meine erste Platte, Bechet auf Blue Note, aufgenommen 1940, meinem Geburtsjahr. Als ich merkte, dass mein Talent für eine eigene Musikerkarriere nicht reichen würde, wollte ich dieser Musik unbedingt verbunden bleiben. So entstand sehr früh die Idee eines eigenen Labels, die mich stets verfolgt hat.

Wie haben Sie sie verwirklicht?

Als ich 1966 nach München kam, wollte ich eigentlich mein eigenes Jazzlabel gründen. Doch dann köderte mich Liberty Records damit, dass sie gerade Blue Note gekauft hatten. Als Geschäftsführer bei Liberty habe ich Lion und Wolff 1967 kennengelernt und kann behaupten, dass ich einer der letzten Mohikaner bin, die noch mit den Gründern von Blue Note zusammengearbeitet haben. Die Idee einer Verneigung vor ihnen zum 80. Geburtstag von Blue Note wollte ich ursprünglich im Rahmen von „Jazz at the Philharmonic“ verwirklichen, das ich regelmäßig in der Berliner Philharmonie kuratiere. Doch dann habe ich dem Konzertveranstalter Karsten Jahnke davon erzählt und der hat sofort gesagt: „Da mache ich eine Tournee draus.“ Und die endet jetzt am 16. November in München.

Das Konzertprogramm ist weit gespannt: vom Boogie-Pianisten Axel Zwingenberger über das handverlesene Sextett The Jazz Animals bis zur 90-jährigen Saxofonlegende Benny Golson…

Ich wollte unbedingt mit Boogie Woogie beginnen, denn auch die erste Blue-Note-Platte war eine Boogie- Woogie-Aufnahme mit den Pianisten Albert Ammons und Meade Lux Lewis. The Jazz Animals werden geleitet von Emile Parisien, der heute das ist, was Sidney Bechet zu seiner Zeit war: der beste Sopransaxofonist. Er hat den Pianisten Yaron Herman vorgeschlagen, die übrigen Musiker habe ich ausgesucht. Dazu wird dann am Schluss noch Benny Golson stoßen, der die Brücke zur Hochzeit von Blue Note schlägt, wo er auf einigen Klassikern vertreten ist.

Bei den Jazz Animals spielen jüngere Musiker, die normalerweise eigene Musik komponieren, Klassiker von Jazzgrößen wie Thelonious Monk oder Horace Silver. Finden Sie es wichtig, diese Stücke immer wieder neu zu interpretieren, ähnlich wie Werke der klassischen Musik?

Extrem wichtig. Ich finde es tragisch, dass heute so wenig Bezug auf die Geschichte genommen wird. Das Publikum liebt solche Dinge, saugt sie auf, aber bekommt sie heute viel zu selten geboten. Dabei gilt auch im Jazz: Wer seine Geschichte nicht kennt, hat keine Zukunft.

Das Gespräch führte Reinhold Unger.

Konzerthinweis:

„The Jazz Animals: It must schwing!“ ist am Samstag, 16. November, 20 Uhr, im Münchner Prinzregententheater zu erleben; Telefon 089/ 54 81 81 81.

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