Wer nicht springt, ist ein Hosenschisser. Und schon fliegt Ronja durch die Luft, getragen vom Mut eines Mädchens, das früh gelernt hat, dass man als Räubertochter nichts mehr fürchten sollte als die eigene Angst. Der Sprung über den Höllenschlund, der die vom Blitz gespaltene Mattisburg in zwei Lager teilt, ist für die Kinder Ronja und Birk ein Riesenspaß. Spielend überwinden sie nicht nur die Kluft, sondern auch die Vorurteile, die die verfeindeten Mattis- und Borka-Räuber voneinander trennen. 1981 schrieb Astrid Lindgren „Ronja Räubertochter“. Wie klug und zeitlos der Kinderbuchklassiker ist, zeigt Daniela Kranz’ kraftvolle Inszenierung, die am Residenztheater Premiere feierte.
Ein starkes Vorbild gibt sie ab, diese Ronja, geboren in einer stürmischen Gewitternacht und fest entschlossen, die Welt zu erobern. Sie lacht, springt und flucht – Potzpestilenz! – mit einer Energie, für die ihr heute jeder Kinderarzt ein ADHS-Attest ausstellen würde. Paula Hans spielt Ronja wie eine Naturgewalt und lässt schnell vergessen, dass da eine 32-Jährige akrobatisch auf Händen läuft und durch den dunklen Mattiswald tobt. Gegen so viel Mädchenpower hat es der arme Birk (Niklas Mitteregger) freilich schwer. Wenn Ronja, mit blauer Pudelmütze und Snowboard an den Füßen, an langen Seilen durch die Winternacht schwebt und singt, dann ist das, auch wenn es sich befremdlich liest, tatsächlich die schönste Szene des Stücks.
Daniela Kranz gelingt in ihrer Inszenierung die richtige Dosierung von Märchen und Moderne. Graugnome, Rumpelwichte und gruselige Wilddruden bevölkern das schlichte Bühnenbild von Viva Schudt, in dem, zwischen Felsen und allerlei Grünzeug, auch ein orangenes Wurfzelt als Zufluchtsort für die rebellischen Räuberkinder einen Platz hat. Mit den Jahreszeiten und Schauplätzen dreht sich die Bühne und hält eine sichtbare Nische für Live-Musik bereit (Nicholas McCarthy, Polly Lapkovskaja und Salewski). Ronja und ihre Räuberbande rocken, getrieben von E-Gitarre und Schlagzeug, immer wieder durch die Szenen dieser Kindergeschichte, die von Feindschaft und Versöhnung erzählt, vom Lieben und Verzeihen. Ein starkes Ensemble – allen voran Räuberhauptmann Mattis (Thomas Huber) und sein Ziehvater Glatzen-Per (Winfried Küppers) – verpasst dem Stück die Authentizität, mit der es auch Erwachsenen Spaß macht. Vielleicht weil es um Themen geht, die aktueller denn je sind: blinde Ablehnung und unbegründeter Hass. Wer selbst gezogene Grenzen in unserer Gesellschaft überwinden will, muss neugierig und mutig sein. Oder um es mit Ronjas Worten zu sagen: Wer nicht springt, ist ein Hosenschisser. Anhaltender Applaus von Groß und Klein.
Nächste Vorstellungen
am 24., 25. November sowie am 1., 6., 8., 9. Dezember, empfohlen ab sechs Jahren;
Telefon 089/21 85 19 40.