Alles beginnt mit einem Glas Marmelade. Sie (Patrizia Ciofi) geht die Treppe hinunter, da fällt ihr das Glas aus der Einkaufstasche. Er (Dietrich Henschel) steigt die Treppe hinauf, bückt sich und reicht es ihr. Eine Begegnung, aus der sich eine Liebesgeschichte ergibt – mit Höhepunkt, Tiefpunkt, Happy End; assistiert von den „inneren Stimmen“ (Noa Frenkel und Terry Wey) der Protagonisten.
„Heart Chamber“ heißt die Oper von Chaya Czernowin, die in der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt wurde. Die Komponistin, deren Ruhm durch die Münchner Musiktheater-Biennale und die Oper „Pnima – Ins Innere“ (2000) begründet wurde, verzichtet auf ein klassisches Libretto. Sie unterfüttert ihre Musik, die sich in vielschichtigen Klangteppichen verwirklicht, mit eigenen Textfetzen, die den jeweiligen Zustand der Liebe benennen. Das lässt dem Regisseur allen Spielraum. Claus Guth, ein Spezialist für die Deutung von Musik, erfindet zu den Beziehungssentenzen Handlung und Bilder. Die Marmelade also ist seine Geschichte; ebenso dass das Liebespaar dem reifen Alter zugehörig ist; dass der Mann Architekt sein könnte, sie Heimchen am Herd. Nun, ein anderer Regisseur würde eine andere Geschichte erzählen. Ob das die Sache besser machte? Vermutlich nicht. Das System der Komponistin bringt zwangsläufig inhaltliche Beliebigkeit mit sich. Bewundernswert das Dirigat von Johannes Kalitzke. Doch es hilft nichts: Die Aufführung bleibt in steriler Schönheit stecken. Unsinnlich, undramatisch, kunstgewerblich. SABINE DULTZ