Im Zweifel einfach High Heels. Herren in Damenschuhen, das ist selbst in Zeiten von „alles ist erlaubt“ noch eine kleine Provokation. Die ungarische Nouveau Cirque-Compagnie Recirquel verlässt sich ein bisschen zu sehr auf diesen Showeffekt. Die Artisten, die am Dienstag bei der München-Premiere von „Paris de Nuit“ durchs Spiegelzelt des Tollwood-Winterfestivals wirbeln, sind exzellente Körperkünstler, keine Frage. Doch ist man als Tollwood-Gast durch die Vorjahre etwas verwöhnt. Wer den Witz, die Waghalsigkeit, die rasante, kraftstrotzende Art der Choreografien des Cirque Éloize erwartet, der in den Vorjahren auf der Theresienwiese gastierte, wird – es ist leider so – enttäuscht.
Recirquel setzen auf ruhigere Töne. Auf den Reiz des Spiels mit männlichen und weiblichen Rollenbildern; stellen in Reizwäsche gekleidete Körper zur Schau. Das ist nett anzusehen, der Atem stockt einem in dem 65-Minuten-Programm (keine Pause) aber nur in wenigen Momenten. Einer dieser artistischen Höhepunkte ist die Doppelnummer zweier Herren am Trapez. Wenn sie – dem Bühnenboden enthoben – jedes kraftvolle Aneinanderhochziehen leichtfüßig elegant wirken lassen, Live-Band und Sängerin dazu Charles Aznavours „What makes a Man a Man“ erklingen lassen, ist das ein berührender künstlerischer Aufruf zu mehr Toleranz gegenüber Menschen mit anderen sexuellen Vorlieben als den eigenen. „So many Times we have to pay for having Fun and being gay. It’s not amusing“, heißt es in dem Lied („So häufig müssen wir dafür bezahlen, dass wir Freude haben und schwul sind. Das macht keinen Spaß.“) Die unglücklichen Mienen der Tänzer bringen das einfühlsam zum Ausdruck.
Und dann wieder: der Flash. Nach jeder Nummer frieren die Artisten ein wie ein Standbild, die Scheinwerfer blitzen kurz auf. Eine Hommage an den Fotografen Brassaï, der in den 1930ern durch Paris zog und sie alle mit seiner Kamera einfing: die Mond- und Alkoholsüchtigen, die Künstler und die Taugenichtse, die Sänger und die Tänzer. Suchende, die sich allesamt nach einem sehnten: Liebe und ein bisschen Zärtlichkeit. Nicht nur zur Weihnachtszeit.
„Paris de Nuit“
bis 31. Dezember; Karten: 089/54 81 81 81.