„Bleibt wachsam“

von Redaktion

Robert Redford gibt sich in Marrakesch im Gespräch locker – und politisch

VON MARCO SCHMIDT

Eine lebende Legende zum Anfassen: Robert Redford bekam den Ehrenpreis des diesjährigen Filmfestivals von Marrakesch – und präsentierte sich  tags darauf seinen Fans bei einem Publikumsgespräch, das für jeden bei freiem Eintritt zugänglich war.  Locker  plauderte der 83-jährige Filmstar über seine Karriere. Dabei versprühte er eine Menge Charme, beantwortete aber immer wieder simple Fragen fast wortwörtlich mit demselben Satz: „Darüber müsste ich erst in Ruhe nachdenken, und ich will nicht, dass die Leute hier ihre kostbare Zeit damit verbringen müssen, mir beim Nachdenken zuzusehen.“  Vielleicht ist er einfach kein Fan von Antworten. „Ich mag es, wenn ein Film mit einer Frage endet und so die Zuschauer zum Nachdenken zwingt“, sagt Redford auf dem Podium. Immerhin lässt er sich ein paar Lebensweisheiten entlocken. „Es ist wichtig, Risiken einzugehen“, verkündet er. „Wer nichts riskieren will, riskiert in Wahrheit eine Menge – er läuft Gefahr, in seiner Entwicklung zu stagnieren.“ Er selbst habe immer neue Herausforderungen gesucht und mit Vorliebe unbequeme Charaktere verkörpert, um gegen sein Sonnyboy-Image anzuspielen.

Der Frauenschwarm, der stets aussah wie ein Hollywood-Held, legt Wert auf die Feststellung, dass er das nie gewesen sei: „Ich bin zwar in Los Angeles geboren, hatte aber mit Hollywood nichts am Hut und fühlte mich im Filmbusiness wie ein Außenseiter“, bekennt er. „Ich wollte ursprünglich Maler werden und ging nach Europa, um in Paris und Florenz Kunst zu studieren, entwickelte dann meine Theaterleidenschaft, absolvierte eine Schauspielausbildung in New York und hatte am Broadway Erfolg, ehe ich für den Film entdeckt wurde und nach L. A. zurückkehrte. Darum mag ich es nicht, wenn man mich als Hollywoodstar bezeichnet.“

Seinen durch Komödien wie „Zwei Banditen“ erworbenen Ruhm nutzte Redford früh zur Verwirklichung engagierter Polit-Dramen wie „Die drei Tage des Condor“, „Bill McKay – Der Kandidat“ oder „Die Unbestechlichen“. Bis heute gilt er als politisches Gewissen seiner Nation, als unbeugsamer Aktivist. Zur Verblüffung des Auditoriums gesteht er, dass er sich in jungen Jahren gar nicht für Politik interessiert habe: „Ich war auf diesem Gebiet völlig ungebildet – und stattdessen so fixiert auf meine Karriere, auf den Wunsch, Kunst zu erschaffen, dass ich Politik für Zeitverschwendung hielt. Erst später, als ich mich näher mit dem Filmemachen befasste, wurde mir bewusst, welche Rolle die Kunst in der Gesellschaft spielen sollte: Dinge zu hinterfragen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Wenn die zentralen Werte einer Gesellschaft ausgehöhlt werden, wie es in der Nixon-Ära passiert ist und wie wir es gerade wieder erleben, brauchen wir dringend einen anderen Blickwinkel.“

Auf die Frage, was jeder Einzelne tun könne, meint er: „Bleibt wachsam. Seht genau hin, was um euch herum passiert. Überprüft die Handlungen der Mächtigen. Wir leben in finsteren Zeiten. Ein übler Wind bläst durch viele Länder. Besonders zu spüren ist er in Amerika, wo einige unserer Freiheiten, die ich im Laufe der Jahre so sehr schätzen gelernt habe, nun massiv bedroht werden – durch die Egozentrik, Einfältigkeit und eindimensionale Denkweise der Leute, die an der Macht sind.“ Redford hält einen Moment inne und fügt dann mit spitzbübischem Grinsen an: „Nach dieser Äußerung lässt man mich vermutlich nicht mehr zurück in meine Heimat!“

Für ein denkendes Wesen wie ihn sei der Wechsel auf den Regiestuhl ein konsequenter Schritt gewesen, konstatiert Redford, der 1981 für sein inszenatorisches Debüt „Eine ganz normale Familie“ den Regie-Oscar gewann: „Mir kam es stets so vor, als würde ich mein Potenzial nicht ganz ausschöpfen, wenn ich mich bloß als Schauspielknecht anheuern ließ. Ich hatte immer gute Ideen für die Umsetzung und wollte mehr Kontrolle über meine Filme.“ Dabei seien ihm seine Erfahrungen als Kunststudent in Paris zugutegekommen: „Ich fühlte mich damals einsam, verstand die Franzosen nicht, fand keine Freunde. Mein Skizzenbuch war mein treuer Begleiter. Ich saß damit in Cafés und beobachtete die Leute. Auf den rechten Seiten des Buches zeichnete ich sie, auf den linken spekulierte ich, worüber sie sich wohl unterhielten. Diese Denkweise entpuppte sich später als sehr nützlich für einen Regisseur.“

Nachdem er sich nun als Filmemacher in den Ruhestand verabschiedet habe, komme er wieder zum Zeichnen, erzählt Redford. Doch manchmal würde es ihn in den Fingern jucken, noch mal zu drehen: „Es gibt da ein Projekt über Robert Oppenheimer, den Vater der Atombombe, der zunächst als Held gefeiert und später als Kommunist verdammt wurde. Eine Stimme in mir sagt: ,Diese interessante Geschichte darfst du dir als Regisseur nicht entgehen lassen.‘ Aber eine andere Stimme in mir widerspricht: ,Du hast doch schon beschlossen, dass du dir den Stress nie wieder antun willst – also lass es!‘“

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