Die Golden-Globe-Gala hätte der große Abend für Netflix sein können. Mit 17 Filmnominierungen lag der Streamingriese weit vor den etablierten Hollywoodstudios. Das Scheidungsdrama „Marriage Story“ war, wie berichtet, mit sechs Gewinnchancen als Favorit ins Globe-Rennen gezogen, Martin Scorseses Mafia-Epos „The Irishman“ hätte theoretisch fünf Mal Gold holen können. Deswegen schaute Hollywood in der Nacht zu Montag auch gespannt hin, ob Net-flix den Top-Preis „Bestes Drama“ abräumen und damit Geschichte schreiben würde. Doch es kam anders. Nur eine einzige goldglänzende Weltkugel sprach der Verband der Auslandspresse dem Netflix-Drama „Marriage Story“ zu, für Laura Derns Nebenrolle als gerissene Scheidungsanwältin. Hollywood-Veteran Scorsese und sein starbesetztes Mafia-Meisterwerk gingen dagegen gänzlich leer aus.
Stattdessen triumphierte der Brite Sam Mendes mit seinem Kriegsdrama „1917“ (Kinostart in Deutschland am 16. Januar): Er gewann in der wichtigsten Sparte „Bestes Drama“ und als bester Regisseur. Der bildgewaltige Film folgt zwei jungen britischen Soldaten an einem Tag während des Ersten Weltkriegs durch Schützengräben und über Schlachtfelder. Er hoffe, dass nun viele Kinogänger diesen Film auf der großen Leinwand sehen werden, sagte „Bond“-Regisseur Mendes bei der Preisverleihung in Beverly Hills – ein weiterer Seitenhieb für Netflix, dessen Werke kaum im Kino zu sehen sind.
Der weitere Abräumer des Abends – Quentin Tarantinos schwarzhumorige Komödie „Once upon a Time in Hollywood“ – ist eine Ode an das alte Hollywood der Sechzigerjahre. Sein neunter Spielfilm sahnte den Globe als beste Komödie, für das Drehbuch und für Nebendarsteller Brad Pitt ab. Dieser spielt den lässigen Kumpel eines abgehalfterten Westernstars (Leonardo DiCaprio) vor dem Hintergrund der Hippie-Revolution und einer von Kultführer Charles Manson angestifteten Mordserie, der auch die Schauspielerin Sharon Tate zum Opfer fiel.
Biografisches stand bei den Globes ebenfalls hoch im Kurs. Zwei Globes gingen an den Musikfilm „Rocketman“ über das Leben des Sängers Elton John. Mit rosaroter Sonnenbrille nahm die Pop-Ikone die Trophäe für den besten Filmsong entgegen. Der Brite Taron Egerton, der im Film die Hits selber sang, wurde für sein mutiges Spiel als bester Hauptdarsteller in der Sparte Komödie/Musical honoriert. Regie führte Dexter Fletcher, der vor einem Jahr mit „Bohemian Rhapsody“ Rami Malek als Sänger Freddie Mercury zu einem Globe und Oscar verhalf.
Noch etwas aber fiel auf: Die Themen der Gewinnerfilme waren männerlastig, Diversität blieb bei diesen Globes auf der Strecke. Keine einzige Frau war dieses Jahr in der Sparte Regie nominiert gewesen, dafür mussten die Preisverleiher bereits vorher Kritik einstecken. In der Galanacht selbst war die Auszeichnung für Renée Zellweger und ihre starke Frauenrolle eher eine Ausnahme. Sie gewann mit ihrer packenden Darstellung des Stars und der Sängerin Judy Garland in „Judy“ den Globe als beste Drama-Schauspielerin.
Darüber hinaus verschafften sich einige Frauen auf der Bühne mit eindringlichen Appellen Gehör. Schauspielerin Michelle Williams etwa setzte sich kämpferisch für das Recht auf Abtreibung ein. Mit Blick auf die im November anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA forderte sie auf, wählen zu gehen. Joaquin Phoenix, der für seine Rolle in dem verstörenden Thriller „Joker“ den Globe als bester Drama-Darsteller gewann, packte eine ganze Palette von drängenden Anliegen in seine emotionale Dankesrede: von veganer Ernährung bis zum Klimawandel. Auch die Feuerkatastrophe in Australien bewegte die Stars in Hollywood. „Die Tragödie in Australien basiert auf dem Klimawandel“, ließ Russell Crowe bei der Preisverleihung in einer Botschaft mitteilen. Wegen der Buschbrände war er nicht angereist. „Wenn ein Land vor einer Klima-Katastrophe steht, stehen wir alle vor einer Klima-Katastrophe“, betonte ebenfalls Cate Blanchett auf der Globe-Bühne.
Als Gastgeber der Show teilte der britische Komiker Ricky Gervais mit gewohnt bissigen Seitenhieben aus. Ein vulgärer Witz über „Cats“-Schauspielerin Judi Dench löste ein Raunen im Saal aus. „Denkt daran, es sind nur Witze. Wir werden alle bald sterben, und es wird keine Fortsetzung geben“, frotzelte Gervais gleich zu Beginn.
In wenigen Wochen schon wird der Preis-Regen in Hollywood weitergehen. Am 9. Februar werden die Oscars verliehen, von der Filmakademie mit knapp 9000 Mitgliedern. Über die Golden Globes stimmte nur eine kleine Gruppe von weniger als 100 Journalisten des Verbands der Auslandspresse ab. Manchmal treffen sie ins Schwarze, etwa im vorigen Jahr, als „Green Book“ den Globe als beste Filmkomödie gewann und wenig später den Oscar als „Bester Film“ holte. Hollywood wird daher genau hinschauen, ob Netflix bei den Oscars vielleicht doch noch triumphiert.