Cinemascope für die Ohren

von Redaktion

„Best of Ennio Morricone“ in der Kleinen Olympiahalle war zumindest akustisch ein Vergnügen

VON JÖRG HEINRICH

Sich in der Betongruft der Kleinen Olympiahalle in München in die endlosen Weiten des Wilden Westens hineinzufühlen – das ist kein leichtes Unterfangen. Aber wenn es einer möglich macht, dann Ennio Morricone, das Genie aus Rom. Wer in über 500 Filmen Cinemascope für die Ohren geschaffen hat – der entführt seine Zuhörer auch dann erfolgreich in die Welt von Clint Eastwood, Charles Bronson und Claudia Cardinale, wenn das Ambiente von großem Kino meilenweit entfernt ist. Und so war die Konzert-Hommage „Best of Ennio Morricone“ zumindest akustisch ein großes Vergnügen.

Über 100 Sänger und Musiker der Milano Festival Opera drängten sich auf der kleinen Bühne zusammen, auf der es kuscheliger zuging als Freitagfrüh in der Münchner S-Bahn. Und wer unten in den ersten Reihen saß, sah viele reizende Geigerinnen-Beine – aber wenig vom Orchester und von der Leinwand, über die offenbar legendäre Szenen aus Sergio Leones Spaghettiwestern flimmerten. Wer angesichts dieser Halle Gewaltfantasien entwickelt, muss nicht einmal Fan von Quentin Tarantino sein. Aber dann diese atemberaubende Musik, dirigiert von Marco Seco. Denn Maestro Morricone selbst hat sich nach seiner Abschiedstournee im vergangenen Jahr mit 91 Jahren mittlerweile wohl endgültig in den wohlverdienten Ruhestand zurückgezogen. „Die Leute von der Shiloh Ranch“, „Zwei glorreiche Halunken“, „Django unchained“ und natürlich die Mutter aller Mundharmonikas aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ – das Riesenorchester schaffte es fabelhaft, die Welt des Ennio Morricone zum Leben zu erwecken. Vom Summen einer Fliege bis zum Hufschlag einer ganzen Kavallerie entstanden im Kopf Bilder aus 60 Jahren Kinogeschichte. Augen zu, und der Wilde Westen liegt eben doch unter dem Olympiaturm.

Artikel 6 von 7