Der Matrose geht von Bord

von Redaktion

Jean Paul Gaultier verabschiedet sich mit einer spektakulären Show im Théâtre du Châtelet

VON ESTELLE MARANDON

Im Pariser Théâtre du Châtelet drängten sich die Stars, um bei der letzten Haute-Couture-Show von Jean Paul Gaultier dabei zu sein, mit der er gleichzeitig 50 Jahre seiner Karriere feierte. Eva Herzigova kam am Mittwochabend im lachsfarbenen Korsagen-Kleid als Hommage an einen der berühmtesten Looks des Designers. Auch Carla Bruni-Sarkozy gab dem 67 Jahre alten Modeschöpfer die Ehre. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jean Paul Gaultier jemals aufhören kann“, sagte sie. „Er ist mehr als lebendig.“ Und seine letzte Show war der beste Beweis dafür.

Gaultier verwandelte sie in ein gigantisches Spektakel, bei dem er in rund 200 Looks seine berühmtesten Entwürfe der vergangenen 50 Jahre Revue passieren ließ. Seine Korsagen waren zu sehen, Mieder, Strapse und natürlich seine legendären blau-weißen Streifen. Viele seiner großen Musen liefen an dem Abend für ihn über den Catwalk – von Amanda Lear, Dita von Teese und Mylène Farmer über Estelle Lefébure bis hin zu Rossy de Palma. Ein Höhepunkt waren zwei Auftritte von Sänger Boy George, der zu Beginn das Lied „Back to Black“ von Amy Winehouse interpretierte und auch das Finale einläutete.

Und dann: Auftritt Jean Paul Gaultier. In einem blauen Arbeitsoverall rannte er zum Schluss auf den Laufsteg – um tanzend und feiernd seinen letzten Applaus entgegenzunehmen. „Bitte nicht traurig sein“, tröstete der Designer seine Fans. „Die Marke Gaultier wird es weiter geben, aber ohne mich. Ich mache etwas anderes, neue Projekte, aber auf jeden Fall etwas, das mit Mode zu tun hat, etwas anderes kann ich auch gar nicht.“

Sein Abschied vom Laufsteg ist das Ende einer Ära. Zusammen mit Karl Lagerfeld gehörte der Franzose zu den letzten großen Modeschöpfern einer längst vergangenen Zeit. Einer Zeit, in der Modedesigner Weltstars waren und es noch echte Skandale gab. Denn genau mit diesen machte sich Gaultier, der Autodidakt, einen Namen. Er gilt als unverbesserlicher Provokateur. Nicht umsonst nannte man ihn auch Enfant terrible. Regelmäßig brach er Tabus und stellte gewohnte Gender-Stereotype auf den Kopf: gestandene Männer steckte er in lange Wickelröcke und setzte ihnen Schleierhütchen auf, Frauen ließ er in maskulinen Jacketts und Büstenhaltern über den Laufsteg gehen.

Am meisten Aufsehen erregte Gaultier aber mit dem lachsfarbenen Korsett mit den kegelförmigen Brüsten, das er 1990 für Madonnas „Blond Ambition“-Tour entwarf.

Neben seinem Hang zur Provokation zeichnete den Meister des Designs noch etwas anderes, für die Branche eher Seltenes aus: Humor. „Ohne Jean Paul wird es nicht mehr so lustig sein wie vorher“, sagte Topmodel Inès de la Fressange. Denn letztlich war es vor allem seine fröhliche Art, die ihn, zusammen mit seiner platinblonden Stoppelfrisur und dem blau-weißen Ringelpulli, zu einer der größten Mode-Ikonen unserer Zeit machte.

Wie auch immer es nun für Jean Paul Gaultier weitergeht – ein filmisches Denkmal ist ihm schon jetzt gesetzt worden. Am 19. März startet „Freak & Chic“ in den Kinos. Ein Filmporträt, für das Regisseur Yann L’Hennoret den Designer bei den Vorbereitungen für seine „Fashion Freak Show“ begleitet hat, die Ende 2018 weltweit für Furore sorgte. Noch so ein Coup des provokanten Paradiesvogels, dessen Gesang in dem Lustgarten Modewelt fehlen wird.

Artikel 3 von 5