„Warten auf einen Erlöser“

von Redaktion

INTERVIEW  Michael Altinger über sein neues Kabarettprogramm „Schlaglicht“

Dass es dazu kommt, ist ein kleines Wunder, wenn man das Pensum Michael Altingers kennt: Er stellt heute sein neues Programm „Schlaglicht“ im Münchner Lustspielhaus vor. Im Winter erschien ein Weihnachtsbuch, er schrieb am letzten Programm von Constanze Lindner mit und moderiert nach wie vor mit Christian Springer die „Schlachthof“-Sendung (BR). Wir interviewten den viel beschäftigten Mann aus Landshut.

Das Thema Vergänglichkeit in „Schlaglicht“ baut direkt auf dem alten Programm „Hell“ auf.

Das ist Teil zwei einer Trilogie. Es geht dabei um den Umgang mit Wahrheit. Wie Wahrheit immer mehr zur Option verkommt. Wenn sie zu teuer wird, dann suche ich mir etwas Billigeres. Ich werde auch nicht mehr belangt dafür, wenn ich lüge. Das wird von den Verantwortlichen in dieser Welt hervorragend vorgelebt. Bei „Schlaglicht“ geht es mehr in die Richtung „Warten auf einen Erlöser“. Diesen Erlöser, den wir alle bewundern, weil er so viel Macht hat, weil er sich so gut auskennt und weil er schaut, dass die Welt für uns gemütlich bleibt. Es soll bitte alles so bleiben, wie es ist. Dafür hat er dann das Recht, uns dermaßen zu verarschen, dass es nur so scheppert.

Wenn Sie ein Programm schreiben, gibt es also Dinge, die Sie unbedingt sagen wollen, obwohl Sie wissen, dass es nicht der Brüller wird?

Auch bei „Schlaglicht“ gibt es eine Stelle, da weiß ich, dass es ganz still wird im Publikum. Das genieße ich. Da geht es um Endlichkeit und das Akzeptieren, dass nicht jeder auf dieser Welt ein Denkmal haben kann, sondern dass 99,9 Prozent der Menschheit spätestens, nachdem die Enkelkinder gegangen sind, vergessen sein werden.

Trotz Facebook?

In einer Zeit, in der die Leute immer weniger mit Religion zu tun haben wollen. In der sie einen Gott abwehren, versuchen sie, ihr Denkmal auf der Welt zu schaffen, etwas Bleibendes von sich. Wie die Leute sich da reinstressen! Ich finde, man muss ihnen hin und wieder sagen, dass sie da gegen Windmühlen kämpfen.

Es klingt so, als ob das Programm quasi nur die Spitze des Eisbergs ist.

Du bist ständig am Sammeln, und dann schreibst du hier und dort etwas. Ich habe eine Gesamtsammlung von über hundert Seiten. Die gehe ich alle paar Wochen komplett durch und schaue, was mich anfixt. Gar nicht mit dem Anspruch, dass es gleich verwertbar sein muss. Wenn es dann auf ein Programm zugeht, schaue ich, was die Grundstory sein wird und was aus meiner Sammlung dazu passt. Dann schreibe ich etwas konkreter darüber und zeige es meinem Team. So kommen auch deren Ideen mit drauf. Es entstehen Karteikärtchen. Jede Nummer erhält ein Kärtchen, und so versuchen wir, eine Dramaturgie aufzubauen, indem man die Kärtchen verschiebt. Quasi als erster Leitfaden. Ich bin da sehr analog.

Dann arbeiten Sie ständig an einem Programm?

Man muss sein System entwickeln. Es gibt tatsächlich Kollegen, die können 14 Tage vor ihrer Premiere ein Programm schreiben. Ein Andreas Giebel zum Beispiel. Der ist leider gerade nicht mehr sehr oft auf der Kabarettbühne zu sehen. Der kann in zwei Wochen einen Abend konzipieren, geht auf die Bühne – und es ist super. Da würde ich sterben.

Ginge es ohne ein Team um Sie?

Ich könnte natürlich allein vor mich hin wurschteln. Aber ich habe im Lauf der Jahre gemerkt, dass es gut ist, sich mit Leuten, die einem wichtig sind, auszutauschen. Das öffnet wieder ganz neue Wege, auch in der eigenen Denke. Sonst schmorst du in der eigenen Suppe und wiederholst dich. Das merkt der Zuschauer.

Zu alledem kommt bei Ihnen noch Fernsehen hinzu.

Ja, aber auch hier habe ich ein Team, das über Jahre gewachsen ist. Das sind Leute, mit denen ich seit über 20 Jahren arbeite. Fast schon Familienmitglieder. Thomas Lienenlüke ist Hauptautor vom „Schlachthof“, und den Christian Springer kenne ich ebenfalls seit 20 Jahren. Zum Glück ist das eine Live-Sendung. Was liegt, das pickt. Da wird nichts mehr nachgearbeitet.

Gibt es vom Humor her Unterschiede zwischen Bühne und Fernsehen?

Du musst im Fernsehen Inhalte schnell transportieren. Bei einem Solo von vier Minuten muss ich schon das, was ich rüberbringen will, in jedem zweiten Satz erwähnen. Auf der Bühne mag ich natürlich lieber die lange Strecke. Durch sie kann ich eine Geschichte gründlicher aufbauen. Ich mag auch einen roten Faden für ein Programm mit wiederkehrenden Gags. Wenn jetzt das Fernsehen einen Abend von mir aufzeichnet, dann muss ich ihn komplett umschreiben. Denn es darf nicht länger als 45 Minuten sein. Aber meine Programme dauern etwa zwei Stunden. Da muss ich den ganzen Spannungsbogen neu aufbauen.

Da ist die Aufmerksamkeitsspanne wichtig.

Bei Stand-up-Publikum geht das zack, zack mit den Pointen, sonst sind die Leute weg. Aber ich habe bei mir tatsächlich sogar viele junge Leute sitzen, die gerade das mögen, dass es eine Geschichte gibt, dass es mal ruhiger wird zwischendurch.

Das Gespräch führte Antonio Seidemann.

Nächste Aufführungen

in München heute sowie 6.,7., 8. Februar im Lustspielhaus, am 19. Februar im Bürgersaal Oberhaching.

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