Servus, Sepp

von Redaktion

NACHRUF Der Filmemacher Joseph Vilsmaier ist mit 81 Jahren gestorben

VON MICHAEL SCHLEICHER

Keine zwei Wochen ist es her, da hat er mal wieder angerufen. „Servus, da is der Sepp.“ Es folgte eines dieser Gespräche, die so typisch waren für Joseph Vilsmaier: Es ging ein bisschen um Privates, vor allem aber um „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“. Seinen neuen Film mit Michael „Bully“ Herbig und Hape Kerkeling hatte er gerade fertiggestellt, erste Testvorstellungen waren gelaufen – jetzt war er dabei, Pläne zu schmieden für den Kinostart am 5. November. Der „Sepp“ – wie ihn alle nannten – freute sich darauf. Spürbar. Doch nun ist der Regisseur, Produzent, Kameramann, Pianist und herzensgute Mensch an den Folgen einer Krebserkrankung im Alter von 81 Jahren gestorben.

„Filmzeit ist Lebenszeit“, hat Vilsmaier einmal im Gespräch mit unserer Zeitung gesagt. „Ich bin seit 1961 in diesem Beruf. Es wäre schlimm, wenn ich mich all die Jahre nur geärgert hätte.“ Das Zitat charakterisiert sehr treffend den Mann, der 1939 in München geboren wurde, und seine Arbeitsweise. Vilsmaier hatte kein Problem zuzugeben, dass es bessere Regisseure gab als ihn. Seine Filme hat etwas anderes ausgezeichnet: Die Geschichten, die er erzählte, haben die Zuschauer berührt. Zudem hat sich Vilsmaier gleich mit seinem Debüt „Herbstmilch“ (1989) den Ruf erworben, Vertreter einer neuen Art von Heimatfilm zu sein. Einer, der nicht idealisiert, sondern realistisch abbildet. Damals, erinnerte sich der Filmemacher einmal, sei „Heimat“ noch ein „Schimpfwort“ gewesen, und belächelt wurde, wer zugab, sie zu lieben.

Vilsmaier ist in Hebertsfelden (Landkreis Rottal-Inn) aufgewachsen – und hier in Niederbayern gründete auch sein Erfolg als Filmemacher. Doch zunächst studierte er neun Jahre Musik mit dem Schwerpunkt Klavier am Münchner Konservatorium, ließ sich danach in der Maxvorstadt beim Filmtechnik-Hersteller Arri ausbilden. Bis zum endgültigen Wechsel in die Kinobranche 1961 musizierte Vilsmaier in Jazzbands – und natürlich stand ein Klavier auch in den Räumen seiner Produktionsfirma, der Perathon, in Grünwald.

Bevor er auf dem Regiestuhl Platz nahm, hatte Vilsmaier bei mehr als 200 Produktionen als Kameramann gearbeitet: vom Kino- bis zum Industrie- und Werbefilm war da alles dabei. Hierbei hat er seine Könnerschaft erworben. Sein Spiel mit Licht und seine Raumgestaltung waren bis zuletzt beeindruckend: Kein Wunder also, dass er 2009 beim Deutschen Kamerapreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Zurück nach Niederbayern: 1985 las Vilsmaier „Herbstmilch“, die Lebenserinnerungen der Bäuerin Anna Wimschneider (1919-1993). Das Buch faszinierte ihn, kurzerhand gründete er die Perathon: Er wollte den Stoff als Regisseur, Kameramann und Produzent eigenverantwortlich ins Kino bringen. Um Geld zu sparen, das er damals sowieso kaum hatte, besetzte er geschickt manche Rollen mit Laien aus dem Rottal, wo auch die meisten Szenen entstanden. Das war günstig und sorgte für Authentizität.

Damit aber nicht genug: Die Kosten für den Transport der Ackergäule, die er für die Fuhrwerke brauchte, hätten endgültig das Budget gesprengt; Vilsmaier traf die Rosshändler deshalb in einem Altöttinger Wirtshaus. Sie boten an, ihre Tiere auf eigene Kosten ins Rottal zu bringen. Vorausgesetzt, der Regisseur würde einen Abend lang mit ihnen Schnaps trinken und trotzdem am Ende seine Bitte, die Pferde kostenfrei zu bekommen, noch verständlich artikulieren können. Vilsmaier bat den Wirt um drei Dosen Ölsardinen, präparierte seinen Magen – und: „I hab di Pferdl kriagt.“ Gratis, eh klar. Der Rest ist Filmgeschichte. Mehr als 2,5 Millionen Zuschauer sahen „Herbstmilch“ im Kino; Werner Stocker (1955-1993) und Dana Vávrová (1967-2009) in den Hauptrollen feierten hier ihren Durchbruch.

Die tschechische Schauspielerin und Vilsmaier heirateten 1986 – im Kreißsaal, kurz bevor Vávrová ihre erste Tochter Janina zur Welt brachte: Das Paar wollte, dass das Kind einen deutschen Pass erhält, die Heimat von Vilsmaiers zweiter Frau lag damals ja hinterm Eisernen Vorhang. Die Geburt von Theresa 1989 hat der Regisseur dann gefilmt – für „Rama dama“, sein Drama über die Nachkriegszeit in München: Die damals hochschwangere Vávrová spielte die Hauptrolle, der Kreißsaal wurde zur Kulisse und so eingerichtet, wie Kreißsäle 1945 aussahen. Vilsmaiers Freund, der Gynäkologe Ernst Rainer Weissenbacher, begleitete die Geburt ebenfalls im Kostüm der Zeit. Filmzeit ist schließlich Lebenszeit – und Vilsmaier hat es stets als Geschenk empfunden, beides verbinden zu können.

Als der Regisseur vor elf Jahren den 70. feierte (nur klein, weil der Geburtstag ja eigentlich ungelegen kam, schließlich drehte er damals gerade das Messner-Drama „Nanga Parbat“), wurde er gefragt, wie er denn sein Leben in einem Satz zusammenfassen würde. „70 Jahre Glück – sag i jetzt amol“, lautete seine Antwort. Es ist tröstlich zu wissen, dass der Sepp vor seinem 81. heuer am 24. Januar wohl kaum anders geantwortet hätte.

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