KRITIK AM RANDE

Matthias Brandt im Volkstheater

von Redaktion

Eine Lesung im eigentlichen Sinne ist es nicht. Ein Konzert auch nicht und ein Theaterabend sowieso nicht. Im ausverkauften Münchner Volkstheater nähern sich Matthias Brandt und sein Komplize Jens Thomas auf ganz eigene Weise ihrem Thema an und sprengen wie nebenbei Konventionen und Erwartungshaltungen, was natürlich ausgezeichnet zum Sujet passt: Es geht in „Krankenakte Robert Schumann“ um den erratischen Charakter des Komponisten, dessen Genie Musik neu dachte, bevor ihn früh der Wahnsinn übermannte – mit nur 46 starb er verzweifelt in einer Bonner Nervenheilanstalt.

Und genau um diese letzte Zeit in der Isolation und des zunehmenden Zerfalls dreht sich alles bei Brandt und Thomas. Auf Grundlage von Peter Härtlings Roman „Schumanns Schatten“ zeichnen sie das Porträt. Genau genommen nur auf Grundlage eines Teils des Buches, nämlich jenem, der von der Beziehung zwischen dem geistig zerrütteten Künstler und seinem Pfleger Tobias Klingelfeld handelt. Brandt (Foto: Rumpenhorst/dpa) liest meist aus der Perspektive des oft hilflosen Pflegers, der seinem Patienten gerne helfen würde, aber nicht kann. Parallel dazu spielt Thomas auf dem Flügel Motive, die mit den geschilderten Stimmungslagen Schumanns korrespondieren. Mal klingt Schumann selbst an, mal interpretiert Thomas Passendes. Oder er malträtiert die Saiten des Flügels, stöhnt, jault, krächzt. Doch der unergründliche Musiker und der lautere Pfleger finden nicht zueinander.

Wie Brandt und Thomas das umsetzen, ist mit zunehmender Dauer hypnotisch. Beide lassen sich treiben von der Geschichte, die sie selber erzählen, tauchen unter in ihr, wirbeln im eigenen Mahlstrom. Nach 90 Minuten ist Schluss, die beiden sind wieder bei sich. Und das Publikum ist begeistert. Sehr zu Recht. ZORAN GOJIC

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