Gegen den Strom

von Redaktion

NACHRUF Der schwedische Schauspieler Max von Sydow ist im Alter von 90 Jahren gestorben

VON ZORAN GOJIC

Die Szenen kennen viele, den Film in Wahrheit nur sehr wenige: Eine hagere Gestalt sitzt grübelnd mit dem Tod am Schachbrett und spielt um ihr Leben. Max von Sydow ist gerade einmal 27 Jahre alt, als er 1956 diesen Film dreht, der seine Karriere verändern wird. Der Schauspieler hat da bereits regelmäßige Engagements am kommunalen Theater von Malmö und steht auch gelegentlich vor der Kamera, aber er ist einer von vielen. Bis ihn Ingmar Bergman, der damals als Skandalregisseur gilt, für die Hauptrolle von „Das siebte Siegel“ besetzt.

Der 1,93 Meter große Hüne Sydow, der trotz seiner Jugend irgendwie alterslos wirkt, geht mit dieser Produktion in die Kinogeschichte ein. Man versteht auch sofort, weshalb Regisseur Bergman diesen völlig obskuren Hauptdarsteller haben wollte: Sydow lässt diesen Film funktionieren. Mit einem anderen Darsteller, dem man die existenzielle Angst, aber auch die Härte eines Soldaten nicht abgenommen hätte, wäre es vielleicht unfreiwillig komisch geworden.

13 Mal werden Bergman und Sydow noch zusammenarbeiten, 1971 ist Schluss: Sydow, der größte Filmstar, den Schweden je hatte, ist zu diesem Zeitpunkt seine Heimat zu klein geworden. Für ihn ist das mehr als ein Triumph: Der Junge aus der südschwedischen Provinz, nicht weit von Malmö geboren, kann seinen Eltern beweisen, dass er kein Versager ist.

Denn als Sydow, Spross einer Baltin und eines Vaters mit deutschen Vorfahren, seinen Eltern verkündet, statt Jura lieber Schauspielerei zu studieren, sind die entsetzt. Schauspieler sind suspekt, fahrendes Gesindel, auf jeden Fall ist es kein anständiger Beruf. Sydow, der seine Eltern sehr mag und bis auf dieses eine Mal nie Ärger mit ihnen hatte, ist zutiefst betrübt. Spätestens als er dann 1965 in „Die größte Geschichte aller Zeiten“ Jesus Christus spielen darf und damit ein internationaler Star wird, sind die Eltern versöhnt. Auch mit der Tatsache, dass sich Sydow von Carl Adolf in Max umbenannt hat, weil ihm das griffiger erscheint.

Der Schauspieler freilich wird tatsächlich fahrender Gaukler, der unermüdlich von Drehort zu Drehort eilt und mal in Los Angeles lebt, mal in Rom und zuletzt in Paris. „Meine Kinder haben nicht viel von mir gesehen“, wird er später sagen, aber auch hinzufügen, dass es ihnen erkennbar nicht geschadet hat.

Den leicht sarkastischen Ton packt Sydow gerne aus, auch wenn er beispielsweise gefragt wird, nach welchen Kriterien er für Filme zusagt. Manchmal sei es das Drehbuch, mal die Rolle, dann wieder der Regisseur, sagt er und ergänzt launig: „Und gelegentlich brauchst du einfach das Geld.“ Sydow ist nicht zimperlich und hat wenig Berührungsängste: Er spielt in Horrorfilmen wie dem „Exorzisten“, in Science-Fiction-Epen wie „Star Wars“, dreht immer mal wieder künstlerisch ambitionierte Dramen wie „Schnee, der auf Zedern fällt“, aber auch flache Kommerzware à la„Rush Hour 3“ und hin und wieder sogar ziemlichen Schrott wie „Flash Gordon“. Aber: Er ist in jedem Film präsent und gut.

Obwohl alles andere als eine stromlinienförmige Erscheinung, ist er über Jahrzehnte gefragt – vielleicht auch deswegen. Am besten ist er, wenn er undurchsichtige Männer spielt, wie bei seinem legendären Auftritt im Politthriller „Die drei Tage des Condor“ – da weiß Robert Redford bis zum Schluss nicht, ob ihn dieser Kerl einfach erschießt oder nicht. Er tut es nicht, denn „dafür wurde ich nicht bezahlt“. Nur Sydow konnte das mit diesem maliziösen Lächeln so sagen – und dennoch bedrohlich bleiben.

Im Alter lehnt er dann tatsächlich immer mal wieder Angebote ab. Er solle ständig Opas spielen, die dann in der ersten Hälfte sterben, das sei ihm zu blöd. Gut im Geschäft ist er dennoch weiterhin bis zum Schluss. Den Oscar, obwohl zweimal nominiert, hat er nicht bekommen, aber dafür war er Bond-Bösewicht, Robin Hoods Vater, Petrus und der Steppenwolf, um nur eine willkürliche Auswahl zu nennen.

Nun ist Max von Sydow, Sprachtalent, Skandinavier von Geburt und Franzose aus Überzeugung, Künstler, Nationalheiligtum Schwedens und Schachpartner des Todes mit 90 Jahren gestorben.

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