Wohnzimmerkonzerte

von Redaktion

Kunst in Zeiten von Corona: Wie die Staatsoper und andere Veranstalter im Internet weiterspielen

VON MICHAEL SCHLEICHER

Glocken läuten, als James Blunt am Mittwochabend die Bühne des Großen Saals der Elbphilharmonie betritt. „How it feels to be alive“ ist der erste Song, den er mit seiner vierköpfigen Band in dem  berühmten Konzerthaus interpretiert – doch der lebensbejahende Titel täuscht. Der Abend ist ein besonderer: Vor dem Popsänger sind die 2100 Sitze frei geblieben – der Brite spielt ein „Geisterkonzert“.

Wegen der Ausbreitung von Sars-CoV-2 war am Mittwochnachmittag mitgeteilt worden, dass Blunts Hamburg-Gastspiel vor leeren Rängen stattfindet. Interessierte konnten das Konzert als Livestream kostenlos und weltweit im Internet verfolgen. „Aufgrund der jüngsten Entwicklungen findet der Telekom Street Gig vor Ort leider ohne Zuschauer statt“, steht währenddessen am unteren Bildschirmrand eingeblendet. Blunt schreibt damit Elbphilharmonie-Geschichte.

„Solche Konzerte dürften das Modell für die nächsten Monate sein, wenn das Virus das öffentliche Leben beeinträchtigt“, sagte der 46-jährige Künstler vor seinem Auftritt. Bei der Bayerischen Staatsoper hat man bereits seit vielen Spielzeiten Erfahrungen mit Online-Angeboten: Inszenierungen wurden schon vor Corona unter der Adresse www.staatsoper.tv ins Netz übertragen. Entsprechend schnell hat man in München am Dienstag nach der Ankündigung des Freistaats, staatliche Bühnen bis 19. April zu schließen, einen „alternativen Online-Spielplan“ auf die Beine gestellt.

So wird noch bis 26. März die am 7. Februar aufgezeichnete „Judith“-Inszenierung von Katie Mitchell mit Béla Bartóks Operneinakter „Herzog Blaubarts Burg“ sowie dessen „Konzert für Orchester“ kostenfrei zu sehen sein: Mögliche Untertitel (Deutsch/Englisch), Inhaltsangabe und Biografien der Künstler sowie ein klar formuliertes Hilfsangebot bei technischen Schwierigkeiten runden dieses Angebot ab.

Auf Staatsoper.tv wird am Sonntag um 11 Uhr auch die Präsentation der Spielzeit 2020/21 ausgestrahlt werden. Außerdem auf dem Online-Spielplan: Das Akademiekonzert unter der Leitung von Joana Mallwitz und mit Pianist Igor Levit (Montag, 16. März, 20 Uhr; verfügbar bis 1. April), die „Schwanensee“-Vorstellung des Staatsballetts (Samstag, 21. März, 19.30 Uhr; verfügbar bis 6. April) sowie die Uraufführung des Opernprojekts „7 Deaths of Maria Callas“ von Marina Abramović (Samstag, 11. April, 19 Uhr; verfügbar bis 13. Mai).

Ins Fernsehen kommt die Staatsoper unter den Linden mit einer Vorstellung: Von Berlin aus wurde am Mittwoch „Carmen“ online übertragen – das RBB Fernsehen zeigt die Aufzeichnung am morgigen Samstag von 20.15 Uhr an. Das Haus prüft derzeit die Möglichkeit weiterer Online-Angebote – ebenso wie das Staatstheater am Münchner Gärtnerplatz sowie das Bayerische Staatsschauspiel: Auch hier wird überlegt, wie man das Publikum während der Schließung (zunächst) bis 19. April im Netz mit Kunst und Kultur versorgen kann.

Übrigens: Der Auftritt von James Blunt in der Münchner Olympiahalle am 21. März wurde auch verschoben – noch ist unklar, wann das Konzert nachgeholt wird. Zum Trost für alle Fans: Der Mitschnitt des Abends in der Elbphilharmonie steht nun ein Jahr lang kostenfrei online unter www.magenta-musik-360.de.

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