Aus Pakistan hat sie es gerade noch zurückgeschafft. Sopranistin Juliane Banse war dort für eine ungewöhnliche, mit Tanzelementen arbeitende Version von Franz Schuberts „Winterreise“. Doch nun wurde bei ihr wie bei unzähligen anderen Künstlern der Stecker gezogen. Ebenso bei ihrem Mann, dem Dirigenten Christoph Poppen. Mit den drei Kindern sind sie an ihr Domizil in Dießen gefesselt und warten auf Engagements – obwohl sich die Sängerin demnächst eine Reise nach China vorstellen könnte.
Eine Floskel-Frage bekommt derzeit eine neue Bedeutung: Wie geht es Ihnen?
Ich bin ein bisschen frustriert. Vor einigen Tagen bin ich von einer Tournee nach Pakistan zurückgekommen. Der Rückflug war spannend, weil wir nicht wussten, ob wir es wirklich wie geplant nach München schaffen. Alles hat geklappt, in der Maschine haben wir Masken getragen. Es ist ein lähmendes Gefühl gerade, alle Termine sind weggebrochen. Nicht nur mir, sondern auch meinem Mann.
Was hat man in Pakistan von der Corona-Situation gespürt?
Wenn ich nicht selbst davon gewusst hätte, dann hätte man kaum etwas bemerkt. Die Straßen waren voll. Manche im Publikum trugen zwar Masken, aber gefühlt war Corona weit weg – obwohl man dort schon wegen des Nachbarlands Iran nervös war.
Wovor haben Sie mehr Angst – vor einer Infektion oder vor dem leeren Terminkalender?
Vor einer Infektion habe ich kaum Angst. Wenn wir’s kriegen, dann ist es halt so. Und ich verstehe auch, dass man sich derzeit solidarisch verhalten muss. Wenn ich mir allerdings meinen Terminkalender anschaue, dann ist das wirklich krass. Mein Mann und ich sind zum Glück als Hochschullehrer nicht so existenziell betroffen wie viele andere freiberufliche Kollegen. Aber trotzdem stellt uns die Situation vor Probleme. Schließlich haben wir drei Kinder. Wie wir das alles stemmen sollen, ist uns noch nicht klar.
Organisationen wie der Deutsche Kulturrat und die Orchestervereinigung haben relativ schnell die Situation der freien Künstler thematisiert. Staatlicherseits wurde auch schon Hilfe in Aussicht gestellt.
Ich finde es sehr wichtig und toll, dass dies versucht wird. Ich kann mir allerdings schwer vorstellen, wie es genau realisiert werden soll. Wie sollen die Gelder verteilt werden? Wie soll festgestellt werden, was jedem zusteht? Die Kollegen aus der Alte-Musik-Szene leben von der Hand in den Mund. Diese Einnahmeverluste können nie und nimmer ausgeglichen werden. Wie viele Konzerte sollen denn in der zweiten Jahreshälfte veranstaltet werden, um alles aufzuholen? Und wenn man abgesehen von den einzelnen Freiberuflern die Veranstalter betrachtet: Hier wird es zu einer schlimmen Auslese kommen.
Wie sieht gerade der Alltag im Hause Banse/Poppen aus?
Bei uns in Dießen wirkt alles wie eingeschlafen. Es ist eindeutig weniger los. Das Einzige, was passierte, das war der Blockflötenunterricht für unsere Tochter. Die Schulen haben ja einige Lernaufträge herausgegeben, die Achtjährige hat das Wochenprogramm an einem Tag erledigt und wartet nun auf weiteren Input. Die beiden Jungs sind 16 und 18, sie sind per Handy gut informiert, aber gelassen. Sie haben sich vorgenommen, sämtliche Harry-Potter-Filme am Stück anzuschauen und arbeiten gerade dran. Man muss sich in diesen Tagen eine Struktur geben. Zum Glück gibt es viele Dinge, die man immer vor sich herschiebt und jetzt endlich erledigen kann. Und wir haben plötzlich viel Zeit, um neue Partituren zu studieren… Das sind wir freien Künstler nicht gewöhnt. Sonst ist man ja oft fremdgesteuert durch die vielen Termine und das Reisen. Es ist ein bisschen wie im luftleeren Raum. Den zu bewältigen, ist ganz gesund. Zunächst denkt man sich: „Super, jetzt hast Du viel Zeit.“ Und dann kommen sofort die existenziellen Probleme hoch.
Ist es wie Überwintern im Frühling?
Ich würde mir sehr wünschen, dass alles in zwei Monaten wieder losgeht. Ich glaube aber nicht ganz daran. Eigentlich sollte ich im Mai beruflich nach China reisen, meine Agentur hat schon mal das Visum beantragt.
Würden Sie wirklich hinfliegen?
Ja, weil sich dort die Lage schließlich langsam beruhigt. Das Leben läuft in China wieder an. Und ob ich hier mit Mundschutz herumlaufe oder dort, das gibt sich doch nicht viel.
Finden Sie die Maßnahmen gerade gerechtfertigt?
Ich will gar nichts bagatellisieren. Und es ist extrem wichtig, dass wir die Ausbreitung des Virus eindämmen gerade mit Blick auf die gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Und trotzdem stelle ich fest, dass es derzeit auch viel Profilierung von Seiten der Politiker gibt. Auch, um uns ein wenig brav zu halten. Bei manchen Dingen habe ich einfach ein komisches Gefühl. Aber bleiben wir gelassen. Panik hilft gerade nichts.
Das Gespräch führte Markus Thiel.