Letzter Ausweg Flexibilität

von Redaktion

INTERVIEW Wie sich die Chefs der Münchener Biennale ihr Ersatzfestival vorstellen

Eigentlich steht im Mai die Münchener Musiktheater-Biennale an, die dritte Ausgabe unter Federführung von Manos Tsangaris und Daniel Ott. Beide haben unter dem Stichwort „Dynamisches Festival“ einen Alternativplan entwickelt. Auch inhaltlich bekommt das diesjährige Motto „The Point of NEW return“ („Punkt der neuen Wiederkehr“) in der Corona-Krise neue Bedeutung.

Was kann man sich unter einem „dynamischen Festival“ vorstellen?

Tsangaris: So flexibel wie möglich auf die momentane Situation zu reagieren. Wir bringen die Produktionen örtlich und zeitlich verteilt heraus – wann, wo und wie wir können. Da spielt uns die dezentrale Anlage der Biennale mit verteilten Spielstätten und Produktionsformen in die Karten. Ott: Die Biennale ist ja mehr als nur eine Reihe von Uraufführungen im Mai. Tatsächlich verteilen sich die Produktionen über eineinhalb Jahre auf verschiedene Partnerinstitutionen. Wenn die Premieren nun nicht bei uns stattfinden können, dann machen eben das Staatstheater Braunschweig, die Oper Halle oder Wien Modern den Anfang.

Mit Ihrem Motto meinen Sie auch die „Jahrtausende umfassende Errungenschaften im Bereich künstlerischen Erfindens“ und wagen eine „hoffnungsvolle Aussicht bezüglich der Zukunft“. Der Punkt zur Neubesinnung kommt schneller als gedacht.

Ott: Tatsächlich wirkt die Wahl unseres Mottos fast prophetisch. Ich bin optimistisch, was die politischen Reaktionen auf die Corona-Pandemie betrifft. Wenn das hier demonstrierte schnelle Handeln auch in der Klimakrise möglich wäre oder die Politik mit derselben Entschlossenheit dem Fremdenhass entgegentritt, sehe ich positiv in die Zukunft. Tsangaris: Richtig, aber es muss und wird hoffentlich weitere „New Returns“ geben. Etwa im Kulturleben, das zeigt die aktuelle Situation, gilt es einiges zu überprüfen. Wenn wir das Festival einfach abgesagt hätten, würden die freischaffenden Künstler, aber auch Produzenten und Techniker jetzt auf der Straße stehen. Dank des dynamischen Systems und mithilfe der Stadt München können wir die Verträge glücklicherweise langfristig erfüllen.

Wie sieht die Biennale nun konkret aus?

Ott: Es gibt mehrere Lösungsansätze. Etwa wird überlegt, „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ zunächst als Hörspiel zu produzieren oder „Davor“, das auf Interviews über Rassismus-Erfahrungen von Menschen mit Migrationshintergrund basiert, als Video-Version zu realisieren. Tsangaris: Wir wollen und werden Musiktheater nicht abfilmen, sondern die Produktionen früher oder später auf der Bühne zeigen. Aber man kann sich der digitalen Medien bedienen, um Übersetzungen zu suchen.

Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Ott: Für uns Komponisten ist alles gar nicht so ungewohnt. In Arbeitsphasen leben wir oft wie unter Quarantäne. Und was die Biennale angeht: Dank der Stadt München können wir diese neue Situation produktiv angehen und unser Motto unter realen Bedingungen erproben. Tsangaris: Unsere Aufgabe ist es, Verantwortung zu übernehmen und nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Oder um es mit den Blues-Legenden Sonny Terry und Brownie McGhee zu sagen: Wir kämpfen eine verlorene Schlacht, haben aber beim Versuch zu gewinnen viel Spaß.

Das Gespräch führte Anna Schürmer.

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