Mit Wehmut und Erleichterung

von Redaktion

Senta Berger, Gerd Anthoff und Rudolf Krause über die letzte Folge „Unter Verdacht“

Hervorragende Bücher, hervorragende Hauptdarsteller und eine geniale Grundidee – sie waren das Erfolgsgeheimnis von „Unter Verdacht“ im ZDF. Senta Berger als Kriminalrätin Eva Prohacek ermittelte, unterstützt von André Langner (Rudolf Krause), in München in den eigenen Reihen. Und musste ein ums andere Mal die Erfahrung machen, dass ihr eigener Chef Claus Reiter (Gerd Anthoff) ihr größter Gegner ist. Nach 18 Jahren und 30 Filmen geht Eva Prohacek nun in den Ruhestand – nicht ohne in „Evas letzter Gang“ (zu sehen am Samstag um 20.15 Uhr) noch einmal einen großen Fall zu lösen. Wir trafen Berger, Anthoff und Krause noch vor der Corona-Krise zum großen Abschiedsinterview.

An diesem Samstag läuft die letzte Folge von „Unter Verdacht“. Traurig? Oder froh, dass es vorbei ist?

Senta Berger: Beides. In die Wehmut mischt sich auch ein wenig Erleichterung darüber, dass ich nicht morgens um halb sechs in Regen und Schnee hinaus muss, um zu arbeiten, sondern mich noch einmal in meinem Bett umdrehen darf. Gerd Anthoff: Wir alle waren ja der Ansicht, dass es richtig war, jetzt aufzuhören. Aber wenn Du „Wehmut“ sagst, dann schließe ich mich an. Rudolf Krause: Ich finde es toll, dass die Entscheidung von uns kam und nicht von außen. Und 30 Filme sind doch eine runde Sache.

Sind Sie denn zufrieden mit dem Ende?

Anthoff: Wenn wir Einwände hätten, würden wir’s jetzt hier nicht sagen. Aber wir haben keine. Ich finde, die letzte Folge ist eine der besten. Krause: Die Produktion hat sich ja auch zwei Jahre Zeit dafür genommen. Davor habe ich großen Respekt. Ich glaube, ich spreche für alle, wenn ich sage, dass uns der Dreh sehr viel Freude gemacht hat.

Man hat den Eindruck, dass dieses Finale von langer Hand geplant war – so als hätte man von Anfang an vorgehabt, den ersten Fall von 2002 noch einmal weiterzuspinnen.

Berger: Nein, überhaupt nicht. Das hat sich aus der Notwendigkeit ergeben, die Geschichte der Eva Prohacek zu Ende erzählen zu wollen. Geht Eva in Pension, wird sie umgebracht? Wir haben überlegt: Wie war das eigentlich am Anfang, als sie nach München versetzt worden ist und der Herr Langner nicht einmal mit ihr sprechen wollte? Und der Dr. Reiter womöglich in ein Mordkomplott gegen sie verwickelt war? Das wollten wir noch einmal in Erinnerung rufen, und so ist es zu dieser Idee gekommen. Anthoff: Es gab viele Vorschläge, wie man diese Dreierkonstellation auflösen könnte. Beim Dr. Reiter gab’s die Überlegung, ihn sterben oder ihn einen Karrieresprung machen zu lassen. Ohne zu verraten, was genau mit ihm passiert, finde ich die Lösung, die jetzt gefunden wurde, am besten.

Frau Berger, an einer Stelle sagen Sie als Eva Prohacek: „Was haben wir eigentlich erreicht, es hat sich nichts verändert.“ Glauben Sie nicht, dass diese Reihe etwas verändert, etwas ausgelöst hat im Zuschauer?

Berger: Etwas ausgelöst schon, ich denke, unsere Geschichten haben zum Nachdenken angeregt und dazu, sich über die Themen, die wir mit filmischen Mitteln spanend erzählen konnten, eine Meinung zu bilden. Ich kann mich an die Folge erinnern, in der es um die Privatisierung von Wasser ging. Das ist ein ganz großes Thema in Australien, wie wir während der verheerenden Brände gesehen haben. Die Farmer können sich nicht mehr mit Wasser versorgen, weil sie es nicht mehr bezahlen können. Auf diesen Film haben mich sehr viele Menschen angesprochen, Aber verändert im Sinne politischer Einflussnahme haben wir sicher nichts.

Herr Anthoff, Sie waren von Anfang an der Böse – hatten Sie nie Angst um Ihr Image?

Anthoff: Ich habe keine Ahnung, was ich für ein Image habe, es interessiert mich auch nicht. Die Figuren, die nicht so positiv sind, sind meistens die besseren, insofern bin ich sehr, sehr gerne der Bösewicht.

Herr Krause, Sie haben sich profiliert an der Seite von Senta Berger und Gerd Anthoff – was wird jetzt aus Ihnen?

Krause: Nächste Frage. (Lacht.) Na ja, wir haben „Unter Verdacht“ nicht das ganze Jahr über gedreht, ich habe in den verbleibenden zehn Monaten des Jahres auch gearbeitet, und das geht natürlich weiter. Vielleicht nicht schwerpunktmäßig mit großen Fernsehproduktionen.

Hat es in all den Jahren Überlegungen gegeben, dieses Trio aufzulösen?

Berger: Nein! Anthoff: Doch! Nach den ersten beiden Folgen sollte die Figur des Dr. Reiter nicht mehr vorkommen. Berger: Ich kann mich gar nicht erinnern! Anthoff: Doch, der Autor Alexander Adolph war schon drauf und dran, mich rauszuschreiben. Nicht, weil er mich nicht leiden konnte, sondern weil er der Meinung war, dass die Figur des Dr. Reiter auserzählt sei. Aber – und darauf bin ich auch ein bisschen stolz – meine Figur kam so gut an, dass man zum Schluss kam: Nee, den wollen wir drin behalten.

Noch mal zurück zur möglichen Botschaft – hat „Unter Verdacht“ dem Zuschauer zeigen können, dass es bei der Polizei auch Leute gibt, die darauf achten, dass die eigenen Kollegen sich an Recht und Gesetz halten?

Berger: Ja klar, das war eines unserer Anliegen. Die Figur der Kriminalrätin, die bis hinauf ins Innenministerium ermitteln durfte, hat uns die Möglichkeit gegeben, Fälle von Korruption, illegalem Waffenhandel oder Geldwäsche zu zeigen, in die allerhöchste Persönlichkeiten, aber auch kleine Polizisten verstrickt sind. Es gibt gerade hier in München Polizisten, die mit ihren nicht viel mehr als 2000 Euro brutto kaum durchkommen, geschweige denn sich die Stadt leisten können. Und wenn denen jemand einen Tausender hinhält und sagt: „Dafür verrätst du mir, wann die Hausdurchsuchung geplant ist“, dann sind diese Beamten sehr in Gefahr, den Schein zu nehmen. Das muss man erzählen, und das haben wir auch erzählt.

Viele Zuschauer kritisieren die Krimiflut im Fernsehen – Sie haben selbst Krimis gemacht, was sagen Sie zu der Kritik?

Berger: Dazu kann ich nichts sagen, dazu sehe ich zu selten fern. Anthoff: Das klingt jetzt blöd, aber mir geht’s genauso. Daher kann ich nicht beurteilen, mit welchem Qualitätsanspruch diese Krimis gemacht werden. Ich fürchte, mit einem sehr geringen. Berger: Gelegentlich schauen wir den Münchner „Tatort“, neulich lief einer, da haben mich die ersten Bilder schon so gefesselt, dass ich wissen wollte, wie die Geschichte weitergeht.

Der „Tatort“ ist tatsächlich unumstritten, aber das ist ja nur eine von vielen Reihen.

Berger: Im Heimatkanal wiederholen sie gerade „Die Hausmeisterin“, das war eine klasse Serie. Die hatte so viel mit uns zu tun, mit der Zeit, in der wir leben. Denken Sie an „Kir Royal“ oder an „Die schnelle Gerdi“, Komödien, die ein Spiegel unserer Gesellschaft sind. So etwas gibt es nicht mehr. Wieso eigentlich nicht? Vielleicht sind Krimis einfach günstiger herzustellen… Anthoff: Ich weiß nicht, ob das der Grund ist. Ich glaube, es liegt an der Fantasielosigkeit und Hasenfüßigkeit vieler Redaktionen.

Wenn man Sie bitten würde, eine Episodenrolle im „Tatort“ zu spielen, würden Sie zugreifen?

Berger: Ich glaube nicht, dass man mich fragt, und das hat schon mit der Rolle zu tun, die ich in „Unter Verdacht“ gespielt habe. Eine ehemalige Kriminalrätin in einem anderen Krimi einzusetzen, kommt keinem in den Sinn. Anthoff: Ich warte auf Angebote. Krause: Ich habe in verschiedenen „Sokos“ mitgespielt, und zwar auch mal den Mörder; für die betreffende Produktion war meine Rolle in „Unter Verdacht“ da kein Problem. Für einen „Tatort“ hat mich bis jetzt noch niemand gefragt. (Lacht.)

Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.

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